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Hans-Dieter Krönung

„Ich glaube, dass der rechte Weg, ins Paradies einzugehen, der sein würde,

den Weg zur Hölle zu kennen und ihn zu meiden“

(Niccolo Macchiavelli)

Achtung! Dieser „Standpunkt“ ist nicht geeignet für Manager, die fest davon überzeigt sind, mit ihren vorhandenen, ausgefeilten Zielvereinbarungs- und Controlling-Systemen den Retail-Vertrieb ausreichend mobilisieren zu können, um den künftigen (!) Anforderungen gerecht zu werden. Es besteht die Gefahr, dass ihre Glaubensgrundsätze ins Wanken geraten könnten.

Es ist an der Zeit, klar und deutlich auf eine gefährliche Illusion hinzuweisen, die noch immer weit verbreitet ist, die Illusion nämlich, dass eine hinreichend große Organisation, wie sie typisch ist für Retail-Organisationen, durch Zielvereinbarungen, Anreizsysteme und Prozess-Kontrolle dazu „geführt“ werden kann, ihre Potenziale auszuschöpfen. Das Gegenteil ist nämlich der Fall.

Ich möchte das Problem mit einem anschaulichen Beispiel aus einer normalen Retailbank verdeutlichen, ein Beispiel, wie so oder sehr ähnlich jederzeit in jeder Retailbank auch passieren könnte.

Der Vorstand hat sich auf seiner aktuellen Klausurtagung mit der Frage der Mittelfrist-Planung auseinandergesetzt und festgestellt, dass die klassischen Ertragsquellen wie Fristentransformation, Auflösung gebildeter Risikovorsorge, Beteiligungserträge aus Verbundbeteiligungen sowie sonstige Sondererträge versiegt oder aufgebraucht sind.

Mangels anderer Alternativen muss der Ertrag, den die Bank zum Überleben braucht, nun aus dem Kundengeschäft kommen, ein Feld, das man in den vergangenen Jahren etwas vernachlässigt hatte. Bei der Analyse wurde darüber hinaus festgestellt, dass insbesondere im Retailgeschäft, also dem Filial-basierten Kundengeschäft, zunehmend freie Kapazitäten durch den digitalen Wandel entstanden sind, die man entweder abbauen oder aber für zusätzliches Geschäft nutzen können sollte.

Entgegen der landläufigen Meinung, dass man überschüssige Kapazitäten zwingend abbauen sollte, ist man im Vorstand zu der Erkenntnis gelangt, dass es noch so viele unausgeschöpfte Potenziale im Markt geben müsse, die man in den kommenden Jahren heben solle. Damit müsste es möglich sein, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, denn einerseits würde man um großflächige und unangenehme Abbaukonzepte herumkommen und sich auf die Ausnutzung der natürlichen Fluktuation beschränken können, andererseits glaubt man im Vorstand, dass eine Kostenreduktion alleine ohnehin nur Zeit verschaffen, das eigentliche Problem aber nicht lösen würde, nämlich über signifikante Zusatzerträge das Fundament des Geschäftsmodells zu sichern.

Wie man sofort erkennt, haben wir es in diesem Fall tatsächlich mit einem unternehmerisch denkenden Vorstand zu tun, der deutlich weiter denkt als diejenigen, die einfach nur dem Zeitgeist nachlaufen und ihr Heil in der Kostenreduzierung sehen, denn abgesehen von der Tatsache, dass „Cost Cutting“ eine intellektuell sehr überschaubare Übung ist, gebietet die reine Logik, dass unter der Annahme weiterhin nicht grundlegend veränderter Rahmenbedingungen die Reduzierung von Kosten, vor allem durch Ausdünnen des Filialnetzes, keine dauerhafte Lösung darstellen kann, sondern lediglich die signifikante Steigerung der Erlöse aus dem Kundengeschäft der Weg sein kann, die Existenzberechtigung einer Retailbank zu belegen und zu sichern.

So weit, so gut, aber jetzt beginnt das Problem, und hier aber macht „unser“ Vorstand keine Ausnahme von der Regel. Er delegiert die Frage der nachhaltigen und, vor allem, signifikanten (!) Steigerung der Vertriebserfolge an den erfahrenen Leiter der Vertriebssteuerung, der mit seinen Mitarbeitern und seinem Arsenal an Steuerungsinstrumenten die Aufgabe angehen soll, einen (nochmals betont) „signifikanten“ Zuwachs im zweistelligen Bereich über die kommenden 2-5 Jahre verlässlich zu realisieren.

Betrachten wir also noch einmal etwas detaillierter das erwähnte Arsenal. Da haben wir vor allem das Instrument der Vertriebsziele, basierenden auf fast taggleicher Erfassung aller Vertriebsaktivitäten, der Nutzung der Vertriebsstrukturierungs-Instrumente (Finanz-Check, VR-Finanzplan etc.) sowie der Produktabschlüsse. Die Ziele sind sowohl auf Filial-, also Teamebene, als auch z.T. auf Individualebene heruntergebrochen, so dass jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter im Vertrieb genau weiß, was von ihm im laufenden Jahr erwartet wird. Und damit dies auch niemand übersehen oder vergessen kann, gibt es laufende Soll-Ist –Vergleiche, mit denen die Führungskräfte dann entsprechende „Impulse“ in die Organisation geben können.

Daneben gibt es das Incentivierungs-System, das, in aufwendigen Verhandlungen mit der Personalvertretung vereinbart und als Betriebsvereinbarung einbetoniert, dazu dient, exakt und „fair“ festzulegen, wie die Mitarbeiter am Erfolg des Vertriebes partizipieren.

Außerdem gibt es entsprechende, meist mehrjährige Führungskräfte-Entwicklungs-programme, um aus den bestehenden Führungskräften dezentrale Unternehmer oder Markenbotschafter oder anders zu bezeichnende Superstars zu machen.

Ich denke, diese Aufzählung beschreibt weitgehend und umfassend den relevanten Kern des Instrumentariums, mit dem unser Vertriebsmanager losziehen kann, um die Organisation „signifikant“ nach vorne zu bringen.

Die bereits mehrfach erfolgte Erwähnung des Begriffs „signifikant“ ist von entscheidender Bedeutung, denn es geht ja nicht mehr darum, den erreichten Level abzusichern, sondern darum, die ohne Zweifel bestehenden Potenziale im Markt konsequent zu heben, d.h. Zuwachsraten im deutlich zweistelligen Bereich, und das über mehrere Jahre, zu erzielen, und, wenn möglich, ohne den Kundenkreis nachhaltig durch „Überfischung“ zu gefährden.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass diese Anforderung aus meiner Sicht eine logisch zwingende Konsequent aus den beobachteten und sich deutlich abzeichnenden Entwicklungen im Markt ist, also keineswegs eine unrealistische Anforderung darstellt.

Welche Möglichkeiten hat nun unser Vertriebsmanager? Nun, die offensichtlichste, aber auch naivste Idee ist, die Vertriebsziele um, sagen wir, 25% zu erhöhen. Eine Begründung könnte sein, dass immer wieder zu beobachten ist, dass einzelne Teams oder Mitarbeiter sehr wohl in der Lage sind, 125% Zielerreichung zu realisieren. Man könnte also damit begründen, die 25% Mehrleistung jeweils Jahr für Jahr als Norm für die folgende 100%-Vorgabe zu nehmen. Was aber wäre die wahrscheinliche Reaktion der Organisation?

Ich glaube, hinsichtlich des Betriebsfriedens wäre diese Idee keine besonders gute, denn das Gros der Organisation würde natürlich deutlich Protest einlegen und sich dann darauf konzentrieren, dem Vorstand zu beweisen, dass die Zielerhöhung unrealistisch ist.

Man könnte auch versuchen, über eine Steigerung der Incentives die Motivation zu erhöhen, wobei sich dann aber schnell die Frage stellt, ob man dabei nicht Gefahr läuft, das möglicherweise mehr verdiente Geld gleich wieder auszuschütten.

Außerdem wissen wir aus der Neurobiologie, dass materielle Motivation die immer wiederkehrende Erhöhung der Prämien erfordert, um wirksam werden zu können, weshalb das Prinzip „Geld gegen Leistung“ zwar häufig kurzfristig funktioniert, langfristig aber häufig zu desaströsen Kulturen führt.

Ich würde wetten, dass unserem Vertriebsmanager recht schnell die Ideen ausgehen würden, was er denn noch tun könnte, um „signifikant“ höhere Vertriebsleistung verlässlich anzuschieben.

Die Erkenntnis, die sich aus dieser Übung zwingend logisch ergibt, ist, dass die etablierten Systeme schlichtweg ungeeignet sind, deutliche Veränderungen anzuschieben. Die Kultur der Zielvorgabe und Zielerreichung führt nämlich dazu, dass sich Führung und Organisation immer in einem Zielkonflikt bewegen, der darin besteht, dass für die Organisation das unterjährige Leben umso einfacher wird, je geringer die Ziele sind, während die Führung das Interesse hat, die Ergebnisse, also auch die Leistung, zu erhöhen. Dieser Zielkonflikt führt in der Praxis zwingend dazu, dass es einen Verhandlungsraum gibt, in dem man einen Interessenausgleich finden muss, und dieser Interessenausgleich wirkt immer dämpfend auf ambitionierte Ziele.

Daher führen die ausgefeilten und mit Betriebsvereinbarungen hinterlegten Steuerungssysteme immer und ohne Ausnahme dazu, dass sich eine Organisation statisch entwickelt, d.h. einerseits wird verhindert, dass eine Organisation die Marktbearbeitung einstellt (was diejenigen Häuser erfahren, die die Ziele abgeschafft haben), andererseits aber wird jede Ambition, sich deutlich besser zu entwickeln, „System-bedingt“ verhindert. Ziele und Anreize verhindern Katastrophen, führen aber zu Mittelmäßigkeit, sagt Barry Schwartz. Das ist das Dilemma, denn wir werden in der sehr nahen Zukunft signifikant höhere Ergebnisbeiträge durch deutlich intensivierte Marktbearbeitung brauchen, um überleben zu können. Preiserhöhungen und Kostensenkungen sind Einmaleffekte, die Sinn machen, aber das Grundproblem nicht lösen. Man muss es schaffen, aus den Margen und Provisionen heraus leben zu können, denn andere Quellen wird es bis auf weiteres nicht geben.

Es ist daher dringend geboten, der Logik Raum zu geben. Wer zu Recht stolz ist auf sein hoch-transparentes, ausgefeiltes Steuerungssystem, und vielleicht auch (noch) überdurchschnittlich erfolgreich ist, sollte sich selbstkritisch fragen, ob er/sie den Vertriebserfolg nicht eigentlich erfreulich engagierten Führungskräften verdankt, die ihren Job auch ohne die ausgefeilten Steuerungsinformationen so machen würden, wie sie ihn machen, denn eines ist doch unzweifelhaft klar: Herausragende Leistungen, signifikante Steigerungen werden durch diese Systeme verhindert, nicht ermöglicht.

Es ist aber nicht notwendig, diese Systeme abzuschaffen, das ist die gute Nachricht, aber es ist dringend geboten, die Ergebnisausweis-Funktion von der Motivations-Funktion zu trennen. Transparenz motiviert nur die Wenigsten, wie manch einer von uns vom Betreten der Waage aus eigener Erfahrung weiß.

Motivation kommt von Emotion, und Emotion hat mit Begeisterung und Freude zu tun. Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, wo die Zielvorgabe Begeisterung und Freude ausgelöst hat, es sei denn, sie war überraschend niedrig.

Wir steuern falsch, das muss man klar und deutlich sagen, wenn wir den Anspruch haben, in der Zukunft deutlich mehr erreichen zu wollen. Wir müssen schnellstmöglich erkennen, was unsere Steuerungssysteme leisten können und was nicht. Die Abschaffung der Messverfahren ist nicht die Lösung, wie einige Banken schmerzhaft erfahren haben, denn im Retailgeschäft gilt die goldene Regel: Was nicht gemessen wird, wird nicht gemacht.

Zielvereinbarungen der alten Schule sind ein Druckinstrument, das gerade nicht Begeisterung und Freude aufkommen lässt, denn auch Vertriebsmitarbeiter sind keine Masochisten.

Machen Sie sich klar, was Sie künftig erreichen wollen und wie Sie es erreichen wollen. Und dann denken Sie bitte noch einmal nach, ob das, was hier geschrieben wurde, unlogisch ist. Wenn Sie dann sehen, dass es logisch ist, was ich geschrieben habe, dann müssen Sie handeln.

Wenn Sie handeln, seien Sie konsequent, aber umsichtig, denn nicht immer ist das Gegenteil vom Istzustand der Sollzustand. Mitunter muss man neue Wege gehen.

Wir wissen heute, dass signifikante Steigerungen der Vertriebsleistung im Retailgeschäft möglich und dauerhaft realisierbar sind. Wir wissen, dass Spaß und Hochleistung auch im Retailgeschäft keine Gegensätze, sondern gewissermaßen gegenseitige Voraussetzungen sind. Und wir wissen, dass es etwas Mut braucht, etablierte und scheinbar funktionierende Systeme und Strukturen zu hinterfragen. Daher gilt wohl, dass insbesondere „Mut“ künftig die Spreu vom Weizen trennen wird.

Ich wünsche Ihnen erfolgreiches Nachdenken.

Herzliche Grüße aus Brand

Hans-Dieter Krönung

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