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Hans-Dieter Krönung

1. „Kultur“ als Sammelbecken nicht-fachlicher Defizite

Für Fußball-Experten ist die Sache schon seit langem klar: Eine Mannschaft besteht aus mehr als 11 Fußballspielern, die gut mit dem Ball umgehen können! Was aber ist dieser Mannschafts-„Geist“ genau, von dem man immer spricht, wenn Mentalität Qualität schlägt, der vermeintlich Unterlegene doch den vermeintlich Überlegenen schlägt?

Im Management ist längst ebenfalls unstrittig, dass neben den sogenannten „Hard Facts“ wie Strukturen, Prozessen, Know how oder Technologie auch die sogenannten „Soft Facts“ eine wichtige Rolle für den Erfolg eines Unternehmens spielen, wobei schon die Unterscheidung von „hard“ und „soft“ suggeriert, dass die eine Seite im Grunde wichtiger ist als die andere, was sich auch in der erlebten Praxis in den meisten Unternehmen so darstellt.

Das Top-Management widmet sich insbesondere in Veränderungsprozessen meist mit großer Akribie und großem Aufwand der Erarbeitung der Geschäftsstrategie(n) und den dazu passenden Organisationsstrukturen (einschließlich der Personalbesetzungen sowie der Aufgaben- und Zieldefinition), während die „kulturellen Aspekte“ gerne an ein sogenanntes „Change Management“ ausgelagert werden. Damit wird jedoch im Grunde bereits die Keimzelle des späteren Misserfolgs gesät.

Die Erarbeitung von Geschäftsstrategien ist in verschiedenen Branchen unterschiedlich komplex, weil die inhärente Dynamik innerhalb der Branchen sehr unterschiedlich ist. Wer in der Finanzindustrie von „rasanten Veränderungen“ spricht, hat noch nie die Dynamik der Veränderungen in der Medizintechnik, der Energiewirtschaft oder sogar der Automobil-Industrie gespürt oder erlebt. Mit anderen Worten: Die Finanzindustrie ist im Grunde eine eher träge Industrie, was die Veränderung von Technologien und Kundenverhalten angeht. Daraus folgt, dass die Erarbeitung von Geschäftsstrategien mehr von Logik und mathematischen Gesetzmäßigkeiten als von Kreativität bestimmt wird, also relativ einfach ist.

Demgegenüber gewinnt dann allerdings die Umsetzung der Strategie entscheidende Bedeutung, weil sich die Qualität des Managements nicht mehr in erster Linie in der Erarbeitung einer Strategie, sondern in der Energie der Umsetzung zeigen muss. Es liegt auf der Hand, dass, wenn die Strategie kein großes Differenzierungspotenzial gegenüber Wettbewerbern bietet, die Umsetzung, also die Kraft des Tuns, den Unterschied zwischen Erfolgreichen und Nicht-Erfolgreichen bestimmt.

Je bedeutsamer jedoch die Umsetzung einer Strategie für den Erfolg eines Finanzdienstleisters ist, umso stärker rückt die „Kultur“, also die Art des Zusammenwirkens der Menschen in einer Organisation, in den Fokus.

Leider sind die meisten Top-Manager in der Finanzindustrie jedoch gerade auf diesem Feld relativ „blind“, d.h. sie sind darauf trainiert, Daten und Fakten zu analysieren und mathematische bzw. logische Ableitungen daraus vorzunehmen; sie versagen aber häufig, wenn es um die „kulturelle Frage“, also die emotionale Komponente, geht.

Soziologen, Psychologen und Neurologen wissen seit langem, dass die Triebfedern für Leistungsbereitschaft, Kommunikation, Begeisterung und Loyalität im „Lymbischen System“ des Menschen angesiedelt sind, d.h. dort, wo die Emotionalität, nicht die Ratio, ihre Basis hat. Das bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, dass auch die bestens ausgearbeitete Geschäftsstrategie keine grundlegende Wirkung auf MitarbeiterInnen eines Unternehmens hat, wenn sie sich allein auf arithmetische und logische Argumente stützt.

Das vermutlich größte Kernproblem besteht nun darin, dass ein auf die „Hard Facts“ fokussierter Top-Manager tatsächlich nicht verstehen kann, warum eine Organisation seine profund erarbeitete, detaillierte Strategie nicht mit Leidenschaft umsetzt und er daher fälschlicherweise daraus schließt, die „Kultur“ des Unternehmens stimme nicht und müsse in einem „Change-Management“-Prozess „bearbeitet“ bzw. „weiterentwickelt“ werden. Das „Kultur-Management“ wird damit zum Sammelbecken all dessen, was nicht so funktioniert, wie sich das Top-Management das vorgestellt hat.

2. Das Wechselspiel zwischen „notwendigen“ und „hinreichenden“ Bedingungen für Erfolg

Um sich dem Problem der zielgerichteten Gestaltung von „Kultur“ zu nähern, bedarf es zunächst der gründlichen analytischen Durchdringung der Wirkungsmechanismen im Management.

Es ist ein hinreichend oft zu beobachtendes Phänomen, nicht nur im Management, dass ein Team von Menschen bzw. eine ganze Organisation im Vergleich zu anderen Teams bzw. Organisationen, die über vergleichbare Ausgangslagen verfügen, deutlich bessere oder deutlich schlechtere Ergebnisse erzielt. Besonders auffällig ist dies z.B. bei Regionalbanken, z.B. Sparkassen, die über weitgehend vergleichbare Geschäftsmodelle, Produktpaletten und infrastrukturelle Voraussetzungen wie z.B. Informationstechnologie oder Prozessmodelle verfügen. Wenn also bei gleichartigen Voraussetzungen sehr unterschiedliche Ergebnisse über längere Zeiträume zu beobachten sind, dann könnte vermutet werden, dass die individuelle Marktumgebung der entscheidende exogene Faktor für die Ergebnisentwicklung sein müsste. Dem ist aber nicht so, denn alle Analysen zeigen, dass es keine Korrelation zwischen Marktumgebungen (Stadt/Land bzw. wohlhabende/nicht-wohlhabende Märkte etc.) und Geschäftserfolgen gibt, woraus wiederum zwingend folgt, dass aus vergleichbaren Rahmenbedingungen erwachsende unterschiedliche Erfolge nur aus endogenen Faktoren heraus erklärt werden können, und der entscheidende Faktor dabei ist die Management-Qualität.

Analog der mathematischen Optimierung von Kurvenverläufen kann man auch im Management daher von „notwendigen“ und „hinreichenden“ Faktoren des Geschäftserfolges sprechen. Damit ist gemeint, dass es einem Management unterschiedlich gut gelingt, die gegebenen Voraussetzungen (Kapital, Know how, Strukturen, IT, Prozesse), die weitgehend identisch sind mit den „Hard Facts“, in Geschäftserfolge umzumünzen.

Die begriffliche Unterscheidung zwischen „notwendig“ und „hinreichend“ ist bedeutsam, weil sie dem Management verdeutlicht, dass die „notwendigen“ Faktoren zwar elementar sind, um überhaupt im Wettbewerb agieren zu können, dass sie aber selbst bei perfekter Ausgestaltung allein nicht ausreichen, erfolgreich zu sein, so dass es also auch immer darum geht, die Potenziale zur Entfaltung zu bringen, was eben sehr unterschiedlich gut gelingt.

In der Management-Praxis ist aber, wie bereits ausgeführt, häufig zu beobachten, dass man versucht, die „notwendigen“ Bedingungen zu optimieren, in der trügerischen Hoffnung, dass damit auch der Weg zum Erfolg beschritten sei. Dabei ist klar, dass die „notwendigen“ Bedingungen nur (!) die Voraussetzungen schaffen, um erfolgreich zu sein. Das ist ein sehr bedeutender Unterschied.

Nehmen wir das Beispiel der Arbeitsprozesse, die derzeit überall auf den Prüfstand gestellt werden. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass optimierte, also idR. schlankere End-to-End-Prozesse besser sind als komplexe Prozesse mit vielen Systembrüchen. Es gibt aber (hoffentlich) kaum einen Manager, der ernsthaft glaubt, dass in diesem Sinn optimierte Prozesse zwingend dazu führen, dass das Unternehmen am Markt erfolgreicher agiert als bislang. Denn wenn es so einfach wäre, müssten z.B. alle Banken, die über optimierte (standardisierte/automatisierte) Prozesse verfügen, auch deutlich bessere Betriebsergebnisse erzielen. Dem ist aber nicht so.

Der Grund liegt darin, dass optimierte Prozesse die Voraussetzung verbessern, erfolgreich zu sein. Wenn die Organisation jedoch die optimierten Prozesse nicht konsequent nutzt, freiwerdende Kapazitäten abzubauen oder in andere Funktionen umzuleiten, und wenn darüber hinaus die Standardisierung und die Automatisierung nicht konsequent weitergeführt und mit einer gewissen Leidenschaft auch gelebt werden, dann wird aus dem Potenzial („notwendige“ Bedingung) kein dauerhafter Erfolg erzeugt. Und genau dies ist dann die Ursache für sehr unterschiedliche Ergebnisse von hinsichtlich ihrer Voraussetzungen her sehr vergleichbarer Unternehmen.

3. „Kultur“ als Gestaltungselement der Strategieentwicklung

Die wichtigste Erkenntnis aus dem Wechselspiel zwischen „notwendigen“ und „hinreichenden „Bedingungen“ ist, dass es ein Wechselspiel ist. Damit soll betont werden, dass es grundlegend falsch ist, die „Hard Facts“ unabhängig von den „Soft Facts“ zu entwickeln und zu bearbeiten. Man mag dem Grundsatz folgen wollen, der da lautet: „Structure follows Strategy“ und daraus ebenfalls ableiten: „Culture follows Strategy“, aber zielführend ist allein: „Strategy is Culture and Culture is Strategy“.

Wenn es richtig ist, dass der Kernerfolgsfaktor in der Umsetzung einer Geschäftsstrategie, d.h. der Aktivierung der „hinreichenden“ Bedingungen, liegt, dann folgt daraus zwingend, dass die logisch hergeleitete und quantitativ unterlegte Geschäftsstrategie einen emotionalen Bestandteil enthalten muss, der der Logik und Planung mit Sinnstiftung und Motivation verknüpft. Dies ist aber nur selten der Fall.

Wir bei EGC unterscheiden daher bewusst „Strategie“ und „Leitbild“, d.h. wir beantworten die Frage des „WAS – wollen wir erreichen?“ immer gemeinsam mit der Frage „WARUM – müssen wir was erreichen?“.

Erst aus der Verbindung von „WARUM“ und „WAS“ kann dann das „WIE“ abgeleitet werden, also sowohl die Frage nach Strukturen, Personen und Prozessen („notwendig“) als auch die Frage nach Kommunikations- und Führungs-Kultur („hinreichend“).

Eine Sparkasse, die sich für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Region verantwortlich fühlt, kann eine Mission (Leitbild) entwickeln, die beschreibt, warum (!) es sinnvoll ist, als Sparkasse in der Region positiv zu wirken, warum es wichtig und sinnvoll ist, mit möglichst vielen Menschen in der Region ins Gespräch zu kommen (aktive Marktbearbeitung, Holgeschäft), die Menschen gut zu beraten (Beratungsqualität) und auch Erträge zu erwirtschaften (Businessplan), um auch eigenständig und verantwortungsvoll agieren zu können (Selbständigkeit).

„Kultur“ ist damit kein von der Strategiearbeit abzutrennendes Thema, das separat von „Kultur-Experten“ bearbeitet werden kann und in Workshop-Folgen mündet, die an therapeutische Selbsthilfe-Gruppen erinnern.

Zielgerichtete und, vor allem, wirksame Kulturarbeit ist Arbeit an und mit der Sinnstiftung der strategischen Ausrichtung, mit dem Ziel, die Identifikation möglichst vieler MitarbeiterInnen mit den Zielen des Unternehmens zu erreichen, und das geht nur in Bezug zur Strategie und nicht unabhängig davon.

Jedes Unternehmen, das sich die Weiterentwicklung der „Kultur“ zum Ziel gesetzt hat, braucht ein Leitbild, das explizit mit der Sinnstiftung beginnt und die Strategie daraus ableitet, mit dem Anspruch, zu erklären, warum (!) die formulierte Strategie die Unterlegung der Sinnstiftung ist (nicht umgekehrt). Die dann ableitbare logische Kaskade der Ausgestaltung der „notwendigen“ sowie der „hinreichenden“ Faktoren hilft allen Beteiligten, das Gesamtpaket der Veränderungen nachzuvollziehen und schrittweise auch zu verstehen, was wiederum die Voraussetzung für gezielte Kommunikation und die Akzeptanz und Umsetzung der Maßnahmen durch die MitarbeiterInnen ist.

Identifikation und Leidenschaft können nur entstehen, wenn das Management diese Hausaufgaben klar und nachvollziehbar geleistet hat und darauf aufbauend die Umsetzung konsequent angeht und einfordert.

4. Fazit

Wer sich mit Kultur als Erfolgsfaktor auseinandersetzt, kommt nicht umhin, die Wirkungsmechanismen der sogenannten „Soft Facts“ verstehen zu müssen. Dies ist ein wesentliches Problem des heutigen, eher „mechanisch“ ausgerichteten Management-Verständnisses, denn wie heißt es so schön: „Wenn man nur einen Hammer in der Hand hält, sieht alles aus wie ein Nagel“.

Für den „Mechaniker“ ist „Kultur“ etwas Nachgelagertes, etwas, um das man sich kümmert, wenn die „Hard Facts“ erarbeitet und erledigt sind. Darin aber liegt der große Fehler, denn wenn die Umsetzung über den Erfolg entscheidet, dann ist das unmittelbare Einbeziehen der Organisation in einem sinnstiftenden Entwicklungsprozess unabdingbar. Die Menschen in einer Organisation wollen verstehen, warum (!) welche Veränderungen notwendig und (!) sinnvoll sind. Und umgekehrt kann eine Strategie, der die sinnstiftende Begründung fehlt, niemals darauf hoffen, mit Identifikation und Leidenschaft umgesetzt zu werden.

Was also ist zu tun? Erstens müssen die Zusammenhänge zwischen „notwendigen“ und „hinreichenden“ Bedingungen verstanden werden, um unnötige „Fahrfehler“ zu vermeiden.

Zweitens braucht jeder Veränderungsprozess ein Leitbild, das als emotionale Grundlage für Veränderungen im Sinne einer Mission taugt. Und drittens braucht es ein Management, das sich darüber im klaren ist, dass die Erzeugung von Leidenschaft und Identifikation seine Hauptaufgabe ist, die in aller Demut und Konsequenz angegangen werden muss.


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