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Hans-Dieter Krönung

Der Mensch wird nicht erst durch die Arbeit zum Menschen

(Johannes Paul II.)

Die meisten Menschen in unseren Breitengraden haben mit großer Erleichterung auf die letzte Präsidentenwahl in den USA reagiert, fragen sich aber immer noch, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein verkappter Diktator mit narzisstischen und rassistischen Überzeugungen im Jahr 2016 zum 45. Präsidenten hatte gewählt werden können. Es gibt viele Erklärungsversuche, die, wie so oft, die Symptome beschreiben, aber nicht die Ursachen herausarbeiten. Und wie es im richtigen Leben nun mal ist, gibt es auch in diesem Fall sicher nicht nur den einen, den entscheidenden Grund für das, was damals passiert ist. Wer sich aber sorgt, dass dies im Jahr 2024 wieder passieren könnte, sollte wirklich tiefer zu verstehen versuchen, was zu der Wut vieler Menschen auf das politische Establishment geführt hat, die sich Trump zunutze machte. 

Der Moralphilosoph Michael Sandel, der seit vielen Jahren in Harvard lehrt, hat dazu ein Buch geschrieben, das aus meiner Sicht zum ersten Mal diesen einen (Haupt-)Grund heraus- arbeitet, und mich damit zumindest sehr nachdenklich gemacht hat. Das Buch hat den Titel „Vom Ende des Gemeinwohls“ und beschreibt vor allem am Beispiel der amerikanischen Edel-Hochschulen, der „Ivy-League“, wie sich seit den 60er Jahren die Leistungsgesellschaft in den USA und anderen westlichen Ländern entwickelt hat.

Sandel beschreibt, wie engagierte Reformer den Gedanken entwickelt und umzusetzen versucht haben, dass jeder Mensch prinzipiell nur aufgrund seiner Leistung, nicht nach seiner Herkunft oder seiner materiellen Ausstattung, seine Stellung in der Gesellschaft einnehmen können sollte. Es leuchtet zunächst unmittelbar ein, dass es gerechter ist, wenn bspw. junge Menschen ohne Rücksicht auf andere Einflussfaktoren nur aufgrund ihrer Leistungen bzw. Leistungsfähigkeit bestimmte Hochschulen besuchen und auch bestimmte Jobs erhalten können. Dies entspricht unserem Leistungsgesellschafts-Ideal.

Das Narrativ der Leistungsgesellschaft gilt als Fortschritt gegenüber Gesellschaftsstrukturen, in denen Ausbildungs- und Aufstiegschancen vor allem auf ererbten (Standes-) oder materiellen Voraussetzungen basieren.

Nun ist es aber so, und darauf weist Sandel hin, dass die Voraussetzungen von Menschen niemals wirklich gleich sind. Es gibt Menschen mit ausgeprägten Talenten für Business-relevante Fragestellungen, während andere herausragende Fähigkeiten in Bereichen der Kunst oder aber auch der Pflege von Menschen haben, was uns Corona wieder deutlich vor Augen geführt hat.

Der gesellschaftliche Aufstieg ist davon abhängig, welchen „Marktwert“ eine Kompetenz oder ein Talent hat, wenn man dies einmal am Beispiel eines Hedgefonds-Managers und eines Krankenpflegers verdeutlicht. Sie stimmen mir sicher zu, dass ein guter Hedgefonds-Manager nicht selten das Vielfache dessen verdient, was ein guter Krankenpfleger verdient, dass es aber wahrscheinlich so ist, dass dieser Unterschied nicht das Äquivalent des Gemeinwohl-Beitrages ausdrückt. Mit anderen Worten: Den Wert für die Gemeinschaft, den der Hedgefonds-Manager erarbeitet, dürfte auf keinen Fall um das Vielfache höher sein als der Gemeinwohl-Beitrag des Krankenpflegers, nur hat eben seine Dienstleistung keinen dem Hedgefonds-Manager vergleichbaren Marktwert.

Wenn wir nun aber, und das ist ein wertvoller Gedanke, in einer Gemeinschaft nach dem Grundsatz leben, dass jeder Mensch prinzipiell die gleichen Chancen hat, gesellschaftlich erfolgreich zu sein, dann ist dies auch gleichbedeutend mit der Überzeugung, dass diejenigen, die erfolgreich sind, es auch verdient haben, während diejenigen, die es nicht geschafft haben, es dann offensichtlich auch nicht verdient haben.

Damit aber senden wir dem Krankenpfleger im Grunde die fatale Botschaft, dass es eben Pech ist, dass seine Qualifikation keinen ebenso hohen Marktwert hat, wie die eines Hedgefonds-Managers bzw. dass er selbst schuld sei, nicht den Beruf des Hedgefonds-Managers ergriffen zu haben.   

Es liegt natürlich auf der Hand, dass es sich in diesem Fall um eine problematische Definition des Begriffes „Gerechtigkeit“ handelt, denn der Krankenpfleger hat möglicherweise und ohne seine eigene Schuld überhaupt kein Talent für Hedgefonds-Management, während der Hedgefonds-Manager möglicherweise ohne Power-Point-Präsentation nicht einmal nach Hause finden würde.

Wir haben uns also angewöhnt, den Wert von Arbeit über ihren Marktwert zu ermitteln und vermitteln damit ganzen Gesellschaftsgruppen das Gefühl, minderwertig zu sein, weil man ihnen ja indirekt damit auch mitteilt, dass sie an ihrem Schicksal selbst schuld seien.

Daraus entsteht, wenn es gut läuft, nur Frustration, wenn es aber schlecht läuft, Wut auf „die da oben“. Das wiederum, so Sandel, können sich Demagogen aller Art zunutze machen.

Man könnte jetzt einwenden, dass das Beispiel vom Hedgefonds-Manager und dem Krankenpfleger sicher ein didaktisch geeignetes, aber doch sehr polarisierendes sei, das im Alltäglichen so nur selten vorkommt; dazu gibt es einfach zu wenige Hedgefonds-Manager. Dieser Einwand ist berechtigt.

Vielleicht sollte man eher von den Investment-Bankern in den Großbanken sprechen, die ein Vielfaches von dem verdienen, was ein Filialmitarbeiter bekommt. Und dass, obwohl diese Spezies nur dann gutes Geld verdient, wenn die Kapital- und die M&A-Märkte gut laufen und mitunter großen Schaden anrichten, indem sie wagemutige bzw. illegale Deals anzetteln. Nicht nur die Deutsche Bank kann ein Lied davon singen.

Viele meiner Abonnenten sind im Sparkassen- und Genossenschaftsbanken-Lager tätig und reiben sich möglicherweise jetzt die Hände, weil sie keine Investment-Banker in ihren Reihen haben. Aber zu früh gefreut.

Schaut man sich die Gehaltsstrukturen in einer typischen Regionalbank an, so fällt auf, dass die Mitarbeiter im Filialvertrieb mittlerweile ans „Ende der Nahrungskette“ gerutscht sind, d.h. dort wird tendenziell am schlechtesten bezahlt.

Demgegenüber werden Risikomanager, Controller und Compliance Officer tendenziell deutlich besser bezahlt, gemeinsam mit den Firmenkundenbetreuern.

Gleiches gilt auch für die Karrierechancen der Filialmitarbeiter. Mir sind nur wenige Fälle bekannt, wo ein langjähriger Mitarbeiter des Filialgeschäfts in den Vorstand des Hauses aufgerückt ist; dementsprechend selten finden sich wirkliche Experten des Filialgeschäfts in den Vorstandsetagen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Warum ist das so? Sollten nicht alle Bereiche einer Bank prinzipiell gleichwertig sein, weil alle Bereiche zum erfolgreichen Betrieb notwendig sind?

Wenn sich das Gehalt eines Filialleiters bzw. einer Filialleiterin auf dem Niveau einer Vorstandssekretärin bewegt, dann drückt dies auch aus, welchen „Wert“ die Führung einer Filiale für den Vorstand hat.

Die berühmten „kleinen Dinge“ sagen oft mehr als tausend Detailanalysen. In viel zu vielen Regionalbanken ist das Bewusstsein für den Wert dessen, was tagtäglich in den Filialen geleistet wird, ein gutes Stück weit verloren gegangen. Das hat u.a. damit zu tun, dass sich Vorstände gerne mit modernen Themen wie der Digitalisierung beschäftigen und dabei übersehen, dass immer noch weit über 95% der Erträge im PK-Geschäft in den Filialen erwirtschaftet wird. Man wähnt sich schon viel weiter in einer digitalen Welt als es die Realität ist.

Es ist schon seit Jahren als Trend zu beobachten, dass das Filialgeschäft als etwas wahrgenommen wird, was eben einfach da ist und um das man sich nicht kümmern muss, weil es irgendwie „unsexy“ ist. Mir sagte mehr als einmal ein Vorstand nach einer Einführung unseres Liga-Systems, dass die größte Veränderung für ihn darin bestehen würde, dass jetzt überhaupt wieder im Gesamtvorstand regelmäßig über das Filialgeschäft gesprochen würde.

Und ich kenne Sparkassen, in denen sich jeder Vorstand „so nebenbei“ um eine ihm zugeordnete Filialbereichs-Region kümmert, so als hielte man sich einen Privat-Zoo, um den man sich dann eben kümmert – oder auch nicht. 

Wenn man sich so verhält, dann darf man sich nicht wundern, wenn die guten Leute und die Talente regelmäßig das Filialgeschäft verlassen, um sich weiterzuentwickeln. Man darf sich dann auch nicht wundern, dass sich wenig Begeisterung für den Umgang mit den Kunden entwickelt, von der vielbeschworenen „unternehmerischen Mitverantwortung“ ganz zu schweigen. Und dass es einen Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit und Betriebsergebnissen gibt, hat sich auch in zu wenigen Vorstands-Etagen bislang herumgesprochen.

Wertschätzung und Respekt für den Wert der Arbeit sind maßgebliche Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Regionalbanken. Es ist kein Zufall, dass in den dauerhaft überdurchschnittlich erfolgreichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken das Filialgeschäft eine hohe Aufmerksamkeit erfährt, in qualitativer und quantitativer Hinsicht.

Viel zu viele Top-Führungskräfte haben noch immer nicht verstanden, dass es die Welt von früher so nicht mehr gibt, wo es ausreichte, gute Beratung anzubieten. Beratungsqualität ist nicht mehr der entscheidende Erfolgsfaktor, sondern die Frequenz der eigeninitiierten Kundenkontakte. Das ist für die meisten Mitarbeiter im Filialgeschäft eine fundamentale Veränderung, nämlich der Übergang vom Bring- zum Holgeschäft, eine Veränderung, die Ängste auslöst.

Wenn dann die Führung pausenlos über die neue digitale Welt schwadroniert, kann man sich leicht ausmalen, welch toxisches Gemisch an Sorgen und Gedanken dann in den Filialen entsteht. Das ist nicht der Nährboden für offensive Marktbearbeitung.

Worum also geht es jetzt? Es gilt, den Wert der Arbeit im Sinne des Wertes für „das Ganze“, also für die Zukunftsperspektive zu bewerten.

Da hilft es nichts, wenn Schlaumeier im Controlling vorrechnen, dass das Mengengeschäft in den Filialen defizitär sei. Als promovierter Kostenrechner weiß ich, welchen Einfluss Bewertungsmaßstäbe auf Analyseergebnisse haben. Ich kann bewerten, was es bedeutet, wenn Gemeinkosten nach Köpfen oder Quadratmetern auf Bereiche verrechnet werden und was dann dabei rauskommen muss.

Spannend ist immer, wenn man dann danach fragt, wie sich andere, so profitable Bereiche rechnen würden, wenn es das Mengengeschäft in den Filialen nicht gäbe.

Und fragen sie mal bei Direktbanken nach, was sie geben würden, die Kundenzahlen durchschnittlicher Regionalbanken zu haben.

Anstatt sich also um Kopf und Kragen zu kalkulieren, sollten man lieber alle Kräfte darauf richten, aus den großen Potenzialen, gerade im PK-Markt, endlich auch mal etwas zu machen. Dazu braucht es die vielen Menschen vor Ort in den Filialen; eine „geile App“ wird das nicht erreichen können.

Wir sollten uns wieder bewusst machen, das zu schätzen, was wir haben, nämlich loyale und begeisterungsfähige MitarbeiterInnen und große ungenutzte Potenziale im Markt. Darauf sollte sich der Großteil der Energie richten, denn auch eine Bank, die sich regulatorisch vorbildlich verhält, wird unweigerlich zugrunde gehen, wenn sie in ihrem Markt versagt.

Wer sich nicht wertgeschätzt fühlt, kann auch nicht motiviert werden.

Lassen Sie es nicht soweit kommen!  

Hans-Dieter Krönung

 

 

 

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