EGC EUROGROUP CONSULTING AG

„Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit;

dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft“

(Jean-Jacques Rousseau)

Das Fundament der kapitalistischen Weltordnung, so könnte man meinen, ist das Streben nach Reichtum. Daher machen wir auch den Erfolg eines Menschen an seinem Gehalt und seinen materiellen Gütern fest.

Was liegt folgerichtig näher, als menschliches Verhalten in Organisationen auch durch entsprechende monetäre Anreize beeinflussen zu wollen?

Hinzu kommt, dass die monetäre Ausstattung von Mitarbeitern auch ein Element von Gerechtigkeit darstellt, weshalb insbesondere die Personalvertretungen großen Wert darauf legen und dementsprechend der Ausgestaltung von Leistungsmessungs- und -entlohnungs-Systemen eine hohe Aufmerksamkeit beimessen. Daher ist es auch in fast allen Unternehmen so, dass die diesbezüglichen Regelungen umfangreich und rechtlich tiefgehend geregelt sind.

Typische Ausprägungen solcher Regelungen sind zumeist hochkomplizierte Mess- und Beurteilungsfragen, was bei den Zielgrößen und ihrer Erfassung beginnt und bei den Berechnungsgrundlagen für variable Gehaltsbestandteile endet.

Auch die vermeintliche Gerechtigkeit hat ihren Platz, denn es muss verhindert werden, dass Erfolgsmessungen zu sozialer Ausgrenzung und dem Verlust des gegenseitigen Respekts führt.

Die offensichtlichen Nachteile dieser Systeme liegen auf der Hand. Je komplizierter ein System, umso größer der Aufwand der Pflege und der Absicherung gegen Missbrauch, denn der Umfang der Regelungen erhöht c.p. auch die Missbrauchsmöglichkeiten, weil eben nicht alle Eventualitäten und Sonderfälle einheitlich geregelt werden können.

Salopp formuliert reizen ausgefeilte Regelwerke natürlich immer wieder einzelne Mitarbeiter, die Lücken im System zu suchen, um davon zu profitieren, anstatt die Energie in die eigentliche Zielerreichung zu stecken.

Das Kernproblem liegt aber vor allem darin, dass die Promotoren dieser Systeme deren Unzulänglichkeiten und Unzuverlässigkeiten als prinzipiell auszuräumende Unvollständigkeiten bewerten, was bedeutet, dass man ein prinzipiell wasserdichtes System bauen könnte, wenn man nur genügend hart daran arbeitet.

So habe ich Systeme kennengelernt, die an Raffinesse und Ausgestaltungstiefe keinen Wunsch offenlassen, kreative Lösungen für mögliche Anreize bieten und dementsprechend komplex im Handling sind, so dass eigentlich nur noch Einzelne wirklich verstehen, wie man zu welchen Ergebnissen und Kennzahlen kommt.

Das Problem dieser Systeme ist aber nicht deren Unvollständigkeit, sondern deren prinzipielle Unwirksamkeit. Mit Geld lassen sich Organisationen nicht dauerhaft motivieren.

Beispiel: Ein ambitionierter Mitarbeiter erhält die Option, entweder eine anspruchsvolle oder eine wenig anspruchsvolle Aufgabe anzugehen. Er wird sich im Normalfall für die anspruchsvolle Aufgabe entscheiden.

Bietet man nun diesem Mitarbeiter eine signifikante Belohnung an, wenn er eine dieser beiden Aufgaben löst, dann wird er sich höchstwahrscheinlich für die einfache Aufgabe entscheiden, weil ihm das Geld wichtiger ist als der Erfolg der Lösung einer anspruchsvollen Aufgabe.

Ein anderes Beispiel: Eine Gruppe von Mitarbeitern wird gebeten, eine komplexe Aufgabe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu lösen. Eine zweite Gruppe erhält die gleiche Aufgabe, zusätzlich aber eine Prämie, wenn sie früher fertig werden als die andere Gruppe.

Dieses Experiment ist bis heute zig-mal durchgeführt worden, mit dem immer wieder gleichen Ergebnis, dass die Gruppe mit der Prämie nicht etwa schneller war, sondern immer langsamer.

Wie kann das sein?

Das menschliche Gehirn folgt dem Prinzip des Lustgewinns, d.h. es werden Opioide (z.B. Dopamin) ausgeschüttet, wenn eine Belohnung eintritt, die nicht erwartet wurde. Tritt eine erwartete Belohnung (z.B. 14. Gehalt) ein, erzeugt dies keine positive Stimulanz. Verfolgt das Gehirn konkurrierende Ziele, kommt das System in Konfusion.

Das bedeutet, dass das Streben nach Geld und das Streben nach Problemlösung eine Konfliktsituation erzeugen, die im ersten Beispiel dazu führt, dass sich auch ein an sich ambitionierter Mitarbeiter eher der einfachen Aufgabe zuwendet, weil ihm das Geld attraktiver erscheint als der „Lustgewinn“ bei der Lösung einer anspruchsvollen Aufgabe, im zweiten Beispiel dazu, dass sich die Gruppenmitglieder nicht nur auf ein einziges zu lösendes Problem, sondern auch auf die möglicherweise gefährdete monetäre Prämie konzentrieren, sich also in ihrer Fokussierung schwächen und folgerichtig langsamer werden.

Dieses menschliche Verhalten ist typisch und in den vergangenen Jahrzehnten viele Male mit eindeutigen Ergebnissen bestätigt worden. Es ist auch interessant, dass diese Erkenntnisse bis heute nicht Einzug gehalten haben in die betriebliche Entlohnungs- und Bonifikations-Praxis.

Wer also mit Geld motivieren will, muss also immer wieder zusätzlich Geld drauflegen, um den gewünschten Effekt zu erzielen, denn, wie gelesen, nur der überraschende Effekt löst positive Wertungen und Handlungen aus. Manche Institute sind daher auch dazu übergegangen, den Kreis der Empfänger immer weiter einzuschränken, um denjenigen, die in den Genuss der monetären Prämien kommen, jedes Jahr wieder eine höhere Prämie auszahlen zu können.

Es ist offensichtlich, dass diese Praxis an Schwachsinn grenzt, denn sie ist kulturell verheerend und läuft sich relativ schnell mangels Budget tot. Da es aber aufwändiger ist, einen kompletten Neuanfang zu organisieren, als die bestehende Lösung immer wieder zu „frisieren“, murkst man an den etablierten Modellen herum und wundert sich dann, dass sie keinen positiven Effekt auf die Motivation der Mitarbeiter haben.

Viele Banken sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, die individuellen Verkaufsprämien, die die Berater für den Verkauf von bestimmten Produkten erhalten hatten, einzubehalten und über eine zentrale Regelung zu verteilen. Dies war nötig geworden, weil ganz offensichtlich in viel zu vielen Fällen den Kunden nicht das Produkt verkauft wurde, das sie eigentlich gebraucht hätten, sondern dasjenige, mit dem der Bankberater die höchste Provision kassiert hat.

Die motivationale Energie wird damit in die falschen Kanäle geschickt, d.h. die Prämierung erreicht das Gegenteil von dem, was eigentlich intendiert war.

Des Weiteren ist es auch so, dass die mit hohen Prämien und Auszeichnungen dekorierten Top-Leister mitnichten Vorbilder für die Nicht-Top Leister sind, d.h. der Durchschnitts-Berater strebt nicht danach, Top-Berater zu werden, sondern gibt sich mit dem zufrieden, was er hat. Da die monetäre Basis-Ausstattung in den meisten Banken sehr ordentlich ist, geht von den Sonderprämien nur eine sehr geringe Motivationswirkung aus.

Was bedeutet dies alles für den „richtigen“ Umgang mit monetären Prämien?

Fairer Lohn und Erfolgsprämien sind sinnvoller Bestandteil der Anerkennung erbrachter Leistungen. Insofern plädiere auch ich nicht für ihre Abschaffung oder den Einheitslohn für alle Mitarbeiter.

Man muss nur sehr sorgfältig mit der Frage umgehen, für welche Art von Leistung man Prämien zahlt, ob es nämlich Prämien für Individual- oder für Teamleistungen gibt.

In unseren modernen, vernetzt agierenden Organisationen kann der Einzelne nur dann erfolgreich sein, wenn er als Teamplayer agiert, also für den optimalen Durchfluss an Informationen im Unternehmen sorgt.

Wenn also das Gesamtunternehmen einen Erfolg verzeichnen kann, sollten alle Mitarbeiter davon profitieren, und zwar abhängig von der Höhe des Gesamterfolgs und tendenziell eher auch in gleicher Höhe. Aufbauend auf dieser Grund-Anerkennung müssen Team- und Individualleistungen bewertet werden.

Dabei hat sich bewährt, diese Aufgabe eher den Führungskräften als quantitativen Modellen zu überlassen. Auch hier gilt wie in allen Fällen der Mobilisierung: Dieser Weg ist mühsamer, weil er die Verantwortung für faire Behandlung auf die Schultern der Führungskräfte legt, was auch dazu führen kann, dass es zu anfechtbaren Lösungen kommt, dass dies aber der einzige Weg ist, Fairness dadurch zu schaffen, dass man diejenigen in die Pflicht nimmt, die es eigentlich am besten beurteilen können müssten, nämlich die Führungskräfte.

Es ist menschlich, dass viele Führungskräfte sich eher aus der Verantwortung stehlen möchten, weil sie die Diskussion um ihre Entscheidung fürchten. Wenn eine Führungskraft sich aber schon vor dieser Aufgabe fürchtet, ist sie idR. auch für andere Führungsaufgaben nicht geeignet.

Geld kann nur dann als Unterstützung motivationaler Prozesse eingesetzt werden, wenn es Beiwerk und nicht Hauptgegenstand der Leistungsanerkennung ist. Einfache und robuste Systeme sind dann auch im Interesse der Personalvertretungen, weil Missbräuche identifiziert und nachgearbeitet werden müssen, um auf Dauer zu fairen und angemessenen Entscheidungen zu kommen. Demgegenüber sind systemimmanente Fehlsteuerungen viel schwerer zu identifizieren und auszumerzen.

Der Umgang mit Leistungsbeurteilungen gehört zu den sensibelsten Bausteinen der Management-Aufgabe. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass noch niemand den „Stein der Weisen“ gefunden hat. Als gesichert kann aber gelten, dass Organisationen, die „über Geld ticken“, d.h. wo die individuelle Bereicherung die maßgebliche Triebfeder für das eigene Handeln ist, nicht dauerhaft erfolgreich sein können. Dazu muss man nicht erst in das Investment Banking der Deutschen Bank gehen, um diesen Sachverhalt zu bestätigen.

Je weniger also Geld das Handeln motiviert, desto besser für eine Organisation. Da es ohne Geld nicht geht (und auch nicht gehen sollte), muss sehr sorgfältig abgewogen werden, wofür wer welche Belohnungen erhält. Auch hier gilt: Gemeinschaftsinteresse geht vor Individualinteressen.

In den kommenden Jahren wird es sehr darauf ankommen, alle Kräfte und Energien, die in der Organisation stecken, zum Wohl der Organisation, des eigenen Instituts, zu wecken und einzusetzen. Es wird nicht mehr reichen, einige Top-Leistungsträger zu hegen und zu pflegen, sondern es wird darauf ankommen, dass alle das Beste geben, was sie haben. Dies muss das Entlohnungs- und Prämierungssystem reflektieren, sonst verdirbt das Geld den Charakter. Und das wollen wir doch nicht, oder?

Hans-Dieter Krönung

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