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Hans-Dieter Krönung

„and your wise men don`t know how it feels to be thick as a brick!“

(Jethro Tull, Thick as a brick)

Unfassbar, dass es schon fast 48 Jahre her ist, dass dieses Meisterwerk des „Progressive Rock“ erschienen ist: Thick as a brick von Jethro Tull. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die Aufmachung in Form einer Zeitung, an die Geschichte des pubertierenden Jungen, anhand dessen die Verlogenheit hinter der bürgerlichen Fassade illustriert werden sollte und, vor allem, an die anzüglichen Textbausteine, die dazu führten, dass die Platte (ja, so nannte man das damals) in Großbritannien für einige Zeit verboten war, d.h. nicht im öffentlichen Radio gespielt werden durfte.

Das Wortspiel mit dem „brick“, dem Backstein, der ja eigentlich etwas ganz anderes meinte, sucht bis heute seinesgleichen. 

1972 war ein Jahr, in dem viele sehr kreative Werke, nicht nur in der Musik, sondern in allen Kunstbereichen, das Licht der Welt erblickten. Es war eine Zeit, in der die Früchte der späten 60er Jahre reiften. Es war zwar nicht zur ganz großen gesellschaftlichen Umwälzung gekommen, aber die Jugend hatte die bürgerliche Gesellschaft herausgefordert war dabei, sie Schritt für Schritt zu verändern.

Triebfedern der Entwicklung waren dabei vor allem Ideen und Utopien, revolutionäre Lebensentwürfe und ganz viel Idealismus. Alle diese Dinge wurden in der Musik, auch der von Jethro Tull, zum Ausdruck gebracht. Man lotete die Grenzen aus, definierte Ziele neu und probierte neue Dinge aus.

Viele der Impulse von damals haben sich längst gesellschaftlich etabliert, wie die Ökologie und die Gleichberechtigung. Andere dagegen wurden deutlich relativiert bzw. verworfen. Dass bspw. Drogen frei machen, glauben heute nur noch die Wenigsten. 

Unsere gegenwärtige Epoche ist wieder eine, die möglicherweise in den kommenden Geschichtsschreibungen (oder sollte ich besser sagen: Geschichts-Streamings?) als Veränderungsepoche bezeichnet werden wird.

Dieses Mal ist der Treiber vor allem die Technologie, und dabei vor allem die Digitalisierung. Es ist nach meiner Auffassung nirgends präzise beschrieben, was die „Digitalisierung“ alles umfasst und was nicht, so dass der Begriff vor allem als Synonym für „technologisch induzierte Veränderung“ benutzt wird.

In nahezu allen Unternehmen wird demzufolge an der „Digitalisierung“ gearbeitet, auch in der Finanzdienstleistungsbranche. Dort erkennt man die neue Zeitrechnung vor allem daran, dass viele Top-Manager eine Apple-Watch am Arm tragen, um damit zu dokumentieren, dass sie der neuen Welt zugewandt, also „modern“, sind.

Es ist Fakt, dass Apple im vergangenen Jahr mehr seiner „Uhren“ verkauft hat, als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie zusammen. Es ist dabei allerdings nicht bekannt, wie hoch dabei der Anteil der Apple-Watches ist, der in die Finanzdienstleistungsbranche gegangen ist. Ich vermute, dass dieser Anteil sehr hoch ist.

Und so sitzen in den Chefetagen vieler Banken und Versicherungsunternehmen Männer und Frauen in gesetztem Alter und reden über die Welt von morgen und die absehbar kommenden Veränderungen. Dabei sprechen sie ganz selbstverständlich über technologische Entwicklungen sowie deren Relevanz und Umsetzbarkeit, so als sei die Interesse- und Ahnungslosigkeit bezüglich der eigenen Informationstechnologie, die in Top-Management-Etagen seit Urzeiten zu beobachten ist, schlagartig nicht mehr vorhanden.

Das erklärt auch die Faszination von Finanz-Top Managern für technologische Start Ups. Wer noch moderner und weltoffener erscheinen will als der Apple Watch-Träger, der gründet oder beteiligt sich an Start Ups und berauscht sich am Erlebnis ganz andersartiger Unternehmenskulturen, so wie es manch einem Normalbürger geht, wenn er über die Reeperbahn schlendert: Spannend, aber möglicherweise auch ein bisschen gefährlich. 

Natürlich wird man durch das Tragen der Apple Watch noch nicht zu einem „Digital Native“. Und ebenso wenig macht man aus einer biederen Bank einen quirligen Technologieführer, nur weil man sich an Start Ups beteiligt hat, von denen ohnehin die weitaus meisten nicht überleben werden.

Es ist aber ein gutes Gefühl, zu glauben, dass man die relevanten Entwicklungen selbst beurteilen kann, um dann, wie gewohnt, seine Überzeugungen als Steuerungsimpulse in die „eigenen“ Organisationen hineinzutragen. 

Dabei wird aber häufig übersehen, dass eine dauerhafte Veränderung des Unternehmens auch die Hinterfragung der Art und Weise, wie das Unternehmen bislang geführt wurde, nicht nur einschließt, sondern geradezu voraussetzt.

„Digitalisierung“ steht ja nicht nur für neue Technologien, sondern auch für neue Arbeitsformen, also auch für sich verändernde Wertvorstellungen von „Arbeit“, was zwangsläufig auch mit dem Weiterentwickeln des Führungsverständnisses zu tun hat.

Ich möchte dabei nicht der aktuellen Management-Mode der „Agilität“ das Wort reden, denn schon in einigen Jahren, wenn die großen Beratungskonzerne ihren dadurch selbst geschaffenen Markt abgegrast haben werden, wird der Begriff wieder in der Versenkung verschwunden sein. 

Aber der bei allen diesen Management-Moden, von Kaizen über BPR bis Agilität, immer wieder gleiche (und wahre) Kern der Hinterfragung von „eingerosteten“ Führungs- und Management-Hierarchien zugunsten offener, durchlässiger und „flacher“ Kulturen muss auch und gerade in Zeiten der Digitalisierung wieder hervorgehoben und bewusst gemacht werden.  

Wenn diese Management-Moden, die von ihren Protagonisten ja jedes Mal als der Weisheit letzter Schluss vermarktet werden, überhaupt einen bleibenden Wert haben (außer in den GuVs der Beratungskonzerne), dann den, dass sie immer wieder verkrustete Führungskulturen hinterfragen und mitunter aufbrechen. So geschieht das jetzt auch wieder mit der „Agilität“.

„Agil“ ist demnach eine Organisation, wenn in ihr bestimmte (meist kleine) Teile (Organisationseinheiten) OE-übergreifend an Problemlösungen arbeiten, ohne auf Bereichsegoismen, komplexe Entscheidungsprozesse und Revisions-sichere Standard-Methoden Rücksicht nehmen zu müssen. Und, oh Wunder, wenn in dieser Form gearbeitet wird, stellen sich bessere Ergebnisse schneller ein; und das im Zeitalter der technologischen Revolution, wo uns neben der unsrigen auch zunehmend noch die „Künstliche Intelligenz“ zur Verfügung steht. 

Was liegt also näher, als die technologische mit der Management-Revolution zu einem ganz neuen Ansatz zu verbinden: „Digitagilisierung“, d.h. Organisationen, die die Digitalisierung mit agilen Arbeitsformen bewältigen. Diesen Begriff habe ich erfunden, und ich finde, er trifft das, auf was es heute ankommt, auf den Punkt.

Natürlich muss ich einräumen, dass ich das mögliche Argument, an dieser Formulierung sei ja nichts wirklich neu, nicht entkräften kann. Aber immerhin klingt es gut. Ich denke, ich vermarkte „Digitagilisierung“ als die neue Management-Zauberdroge. Was heißt schon „agil“, wenn ich dazu noch digital sein kann? Und kann die digitale Revolution überhaupt ihre ganze Kraft entfalten, wenn sie nicht agile Arbeitsformen hervorbringt?

Ich kann mir schon ausmalen, wie sich in den Chefetagen vieler Banken die Top-Manager gegenseitig fragen: „Wie digitagi ist unsere Organisation?“

Natürlich muss ich dann auch eine „Digitagi-Skala“ entwerfen, auf der Unternehmen ablesen können, was ihnen noch zur perfekten „Digitagi“-Organisation fehlt, und natürlich biete ich Lösungen an, wie man diese Anforderungen erfüllen kann. Und zuletzt veröffentliche ich ein Buch mit dem Titel „Digitagilisierung – the next Management-Revolution for the 21. Century“, mit dem bescheidenen Untertitel: „How to become the leading Digitagi-Organisation in the whole galaxy“.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum das Buch in Englisch erscheinen muss?! Ganz einfach: Sonst kann es doch nicht revolutionär und ein Geheimtipp sein. Erst wenn es eine Übersetzung aus dem Englischen ist, spricht es sich in den Management-Etagen herum und ich habe die Chance, in eine Talkshow eingeladen zu werden.

Der Siegeszug der Digitagilisierung wird bahnbrechend sein, weil sich kein Manager mehr leisten kann, auf Management-Foren, im Lions Club oder auf Pressekonferenzen sagen zu müssen, man sei nicht dabei, die gesamte Organisation auf „Digitagi“ umzustellen.

Kein internes Projekt mehr, das nicht den Gesetzen des „Digitagi“ gemäß durchzuführen ist und kein Berater, der nicht selbstverständlich alle gängigen „Digitagi“-Methoden beherrscht.

Alles könnte dann ewig so weiterlaufen, wenn nicht irgendwann ein „kleiner“ Sparkassen-Vorstand die Frage stellen würde, was denn eigentlich die „Digitagi-Revolution“ tatsächlich gebracht habe, denn bevor er seine ganze Organisation durcheinander wirbele, hätte er gerne einmal belastbare Ergebnisse gesehen.

Zunächst würde man ihn noch milde belächeln, aber mit der Zeit würden weitere Kritiker auftauchen, die die weit verbreiteten Erfolgsmeldungen bezweifeln, weil sich inzwischen doch einige Unternehmen von der „Digitagilisierung“ verabschiedet haben, weil sie ihre Ziele bei weitem verfehlt hatten. Andere Unternehmen würden berichten, dass sie das „Digitagi-Konzept“ inzwischen wieder eingestampft hätten, weil sich die versprochenen Resultate nicht eingestellt hätten.

Das Interesse würde erlahmen und das mit den Talkshows wäre dann wohl auch vorbei.

Na ja, ein wirkliches Problem entsteht dadurch nicht. Ich erfinde dann etwas Neues. Wie wäre es mit „Business Process Reengineering“ oder, etwas exotischer, „Kaizen“?

Wie, das gab es schon einmal?

Gut, dann eben „Syntegration“ oder „Time-based-Management“?

Wie, auch schon da gewesen?

Also dann kreiere ich „Business Performance Boosting Excellence Management“, abgekürzt BPBEM. Das ist es, denn auf den Inhalt kommt es ja nicht an, sondern nur auf das Marketing!

Ich frage den Kiosk an der Ecke, ob er sich als Benchmark-Unternehmen zur Verfügung stellen würde, denn ich brauche ja ein Vorzeige-Objekt, das die gewaltige Kraft meines Ansatzes belegen kann, damit ich Manager aus allen Ländern auch dort hinführen kann.

Diese Vorgehensweise hätte zwei Vorteile. Zum einen trifft man dort immer zufriedene Kunden an, die man interviewen könnte, und zweitens sind diese Kunden häufig der englischen Sprache nicht mächtig, so dass ich übersetzen müsste, was mir einen gewissen Einfluss auf die vermittelten Botschaften ermöglichte.

Ja, so wird es gemacht. Für meine Standpunkt-Leser würde das allerdings bedeuten, dass dies der letzte Standpunkt wäre, weil ich auf meiner Yacht vor den Fidschi-Inseln wenig Zeit und Muße habe, mich mit den Alltags-Problemen des Managements zu befassen.

Das tut mir ein wenig leid, aber der Wandel ist das einzig Beständige in der Zeit.

Jetzt gehe ich erst mal zum Kiosk …

 

Herzliche Grüße aus Brand    

Hans-Dieter Krönung

 

 

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