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Hans-Dieter Krönung

„Kein wahrhaft großer Mann hat sich je selbst dafür gehalten.“

(William Hazlitt)

Die US-Wahl hat weltweit für große Freude unter Denjenigen gesorgt, für die die Welt nicht nur aus „Gewinnern oder Verlierern“ besteht. In vielen Kommentaren wurde betont, dass die Abwahl Trumps eine Hoffnung für die Demokratie an sich sei, weil dadurch gezeigt wurde, dass sich Rücksichtslosigkeit, Egomanie und Polarisierung eben nicht zwangsläufig auch durchsetzen müssen.

Man darf aber natürlich nicht vergessen, dass nahezu die Hälfte der Wähler ihr Land und ihre Gesellschaft nach wie vor einem Menschen anvertraut hätten, dem Psychologen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung attestieren und der daher unberechenbar ist. Es ist diese seltsame Leidenschaft, die vielen Diktatoren von vielen Menschen aus ihrem Volk entgegengebracht wird und die von Außenstehenden und intellektuell Reflektierten nicht nachvollzogen werden kann. Ich denke, Trump fällt auch in diese Kategorie von Führungsfiguren, weil ja immer wieder zu erleben war (und ist), dass ihm einerseits die demokratischen Spielregeln und Institutionen eher eine Last sind und dies andererseits auch seine Begeisterung für absolute Herrscher in aller Welt erklärt. So wie sie wäre er offensichtlich auch gern. Und das Narrativ, das er in die Welt gesetzt hat und das lautet: „Wo ich bin, ist der Sieg, und zwar ohne „Wenn“ und „Aber“!“, spricht offenbar viele Menschen an, die sich an diesem Ruhm aufrichten, weil sie sich als Teil dieser Bewegung sehen (man denke nur an die vielen schwer bewaffneten Trump-Anhänger mit ihren „Trump-the-Rambo-Plakaten“ nach der Wahl).

Aber gerade auch im Business-Umfeld hat Trump nach wie vor viele Anhänger. Man hört ziemlich oft, auch in unseren Breitengraden, das Argument, dass Trump für die Wirtschaft nur das Beste will und tut, nämlich die Rahmenbedingungen zu stärken, um gute Profite zu erwirtschaften. Trotz protektionistischer Stoßrichtung des „America first“, unter der gerade auch in Europa viele Unternehmen leiden, gefällt vielen Managern das klare Weltbild, das Trump verkörpert: die eindeutige Priorisierung von Wirtschafts- gegenüber Umweltinteressen, der Umgang mit den Schwachen in einer Gesellschaft und vor allem die Deal-Orientierung, nach der man alle Probleme im 1:1-Verhältnis als „guten“ oder „schlechten“ Deal lösen kann, ohne sich mit komplizierten Meinungsbildungsstrukturen auseinandersetzen zu müssen.

Man kann sich gut vorstellen, wie manche Top-Manager, die von Umweltauflagen in der Landwirtschaft, von der Regulatorik in der Finanzbranche oder von Verbraucherschützern im Groß- und Einzelhandel „gequält“ werden, davon träumen, in einem „Wonderland à la Trump“ zu leben, wo am Ende nur der Profit und das Recht des Stärkeren gilt. Es sind nicht die offiziellen Statements, denen man diese Einstellungen entnehmen kann, sondern die berühmten Gespräche nach dem dritten Glas Wein, wenn dann darüber gesprochen wird, dass an Trump keineswegs alles schlecht sei und man es durchaus als erstrebens- und nachahmenswert ansehe, dass dieser Mann „der Wirtschaft“ die eindeutige Priorität gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Interessen gegeben hat.  Und wenn man einmal von der Corona-Zeit absehen würde, wären die Wirtschaftsdaten in der Regierungszeit Trump schließlich auch sehr gut gewesen (auch wenn umstritten ist, welchen Anteil die Obama-Zeit am Wirtschaftsaufschwung unter Trump hatte), denn Steuersenkungen finden prinzipiell alle Unternehmen gut (auch wenn die Staatsverschuldung der USA jetzt neue Rekordhöhen erreicht hat). 

Ja, aber es gab Corona und wer weiß, wie die US-Wahl ausgegangen wäre, wenn die Pandemie nicht gekommen und von der Trump-Administration in dramatischer Weise missachtet worden wäre. Die Corona-Krise hat bislang eben nicht nur viel zu viele Menschenleben gekostet; sie hat auch der Wirtschaft schwersten Schaden zugefügt. Gerade die Manager der Finanzbranche, die dieses Mal nicht so stark gebeutelt worden sind wie in der großen Finanzkrise, werden sich an das berühmte Buch vom „Schwarzen Schwan“ erinnern, in dem die Finanzkrise vorhergesagt wurde, weil man sich in den Risikomanagement-Abteilungen der Banken nicht vorstellen konnte, dass es einmal zu einem solchen singulären Ereignis mit katastrophalen Folgen kommen könnte und man gerade deshalb mit dieser dann doch eingetretenen Situation überfordert war. Jetzt erlebt die gesamte Welt über alle Branchen hinweg ein „Schwarzer-Schwan-Deja-vu“, egal ob Luftfahrt-Industrie, Gastronomie oder Profi-Sport, und allen Beteiligten wird schlagartig klar, wie vernetzt und interdependent unsere Welt ist.

Wenn die Pandemie eines Tages besiegt worden sein und Trump auch das Weiße Haus geräumt haben wird, steht die Aufarbeitung der Erkenntnisse an. Und wir werden sehr gut beraten sein, über allen Einzelanalysen und Detailfragen die übergeordnete Wahrheit angemessen zu würdigen, dass alle Dinge in unserer Welt, gerade auch in der Wirtschaft, nicht unabhängig voneinander betrachtet und bewertet werden dürfen. Man kann die Komplexität der Interdependenzen nicht dadurch auflösen, indem man sich auf einen Parameter konzentriert und alle anderen ausblendet. Natürlich könnte Trump (ausnahmsweise mal nachvollziehbar) argumentieren, dass er, wirtschaftlich betrachtet, durchaus erfolgreich war und die Wahl hätte locker gewinnen können, wenn Corona nicht gekommen wäre. Aber Corona ist gekommen, ist eine nicht zu leugnende Realität geworden und vergleichbare Ereignisse werden immer wieder geschehen. Darauf nicht angemessen, vor allem mental, aber auch organisatorisch, vorbereitet gewesen zu sein, hat ihn wahrscheinlich seine Wiederwahl gekostet. 

Der Kern des Problems, aber auch der Kern der Erkenntnis besteht darin, die Komplexität der Realität nicht als störend, sondern als elementar anzusehen und zu akzeptieren. Die Reduktion auf einzelne Teilaspekte mag die Bearbeitung vereinfachen, sie erhöht aber das Risiko, wesentliche Einflussfaktoren für das Ergebnis zu übersehen. Wer also bewusst relevante Einflussfaktoren ausblendet und sich auf wenige Gestaltungs-Parameter „fokussiert“ (wie es häufig im Management gelehrt wird), handelt mutig bis fahrlässig. Gerade im Top-Management vieler Unternehmen hat man in den vergangenen Jahrzehnten eine Kultur des „Scheuklappen-Managements“ entwickelt, was sich z.B. am Ausklammern gesellschaftlicher Fragen wie Nachhaltigkeit oder Menschenrechte gezeigt hat. Ganze Geschäftsmodelle wurden, bspw. in der Textilbranche oder der Pharmaindustrie, auf dem systematischen Ausblenden von Gesamtverantwortung für Menschen und Umwelt, bspw. in den Entwicklungsländern, aufgebaut. Jetzt zeigt sich an vielen Stellen, dass veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung diese Geschäftsmodelle zerstört oder doch mindestens massiv verändert, d.h. sie sind eben nicht mehr erfolgreich weiterzuführen.

Ich habe an anderer Stelle bereits ausführlich die Problematik der Fokussierung auf Rendite als maßgeblicher Messgröße für Unternehmenserfolg dargestellt. Es gibt beinahe täglich immer wieder Beispiele für die Kollateralschäden der Renditeorientierung für die betroffenen Unternehmen selbst, weil es das Top-Management versäumt hatte, der Komplexität der relevanten Einflussfaktoren rechtzeitig und konsequent genug Rechnung zu tragen (s. Automobil-Industrie).

Insofern muss uns klar sein, dass Komplexitätsreduzierung immer ein riskantes Spiel ist, egal, ob wir Trumps Scheitern unter dem Einfluss von Corona oder wirtschaftliche Schäden aufgrund überzogener Renditeorientierung als Beispiel nehmen; es ist nur eine Frage der Granularität der Betrachtungsebene. Je stärker wir unser Denken und Handeln vereinfachen, umso stärker sind wir vom Risiko des „Schwarzen Schwans“ bedroht. Es ist ja kein Zufall, dass in allen Staaten, in denen die Corona-Gefahr aufgrund der beschränkten Wahrnehmungen ihrer Führer zunächst verharmlost wurde, die Infektionen und die Sterberaten am höchsten sind. Dass sich unter diesen Staaten Diktaturen ebenso befinden wie etablierte Demokratien, zeigt nur, dass der Umgang mit Komplexität (und Wachsamkeit) keinem politischen Grundmodell folgt.

Es gibt Hoffnung, nicht nur für den gesellschaftlichen Heilungsprozess in den USA, sondern für uns alle, die wir in unterschiedlicher Form Verantwortung für andere Menschen tragen, dass die Schwere und die Tragweite der Pandemie zu mehr Demut vor der Komplexität des Lebens führt, auch und gerade in der Wirtschaft. Es ist eben kein dauerhaftes Erfolgsmodell, sich die Welt soweit zu vereinfachen, dass man sie glaubt, beherrschen zu können, Pippi Langstrumpf vielleicht einmal ausgenommen. Mit dem Scheitern Trumps, und auch darin liegt Hoffnung, scheitert auch für viele Entscheidungsträger die Gallionsfigur der eindimensionalen und damit einhergehenden Management-Philosophie des rücksichtslosen Durchsetzens der eigenen Interessen. Vielleicht ändern sich jetzt viele Dinge, ob im Umgang mit Lieferanten, der Information von Kunden oder der Behandlung der eigenen Mitarbeiter. Voraussetzung dafür ist aber, zu verstehen und anzuerkennen, dass man dauerhaft nur erfolgreich sein kann, wenn man die Welt (oder ihren relevanten Ausschnitt) so nimmt, wie sie ist, nämlich komplex, dynamisch und interdependent.

Mancher Manager wird möglicherweise jetzt der Zukunftsvorsorge und der Bildung von Rücklagen mehr Aufmerksamkeit schenken als der Medien- und Publicity-wirksamen Ausschüttung von Erträgen zur Steigerung des Aktienkurses. Wir erleben an vielen Stellen der Wirtschaft, dass Nachhaltigkeit nicht mehr nur ein Feigenblatt ist, sondern eine ernsthaft verfolgte Strategie. Und wieder einmal zeigt sich, dass dezentrale und kundennahe Systeme und Organisationen wesentlich besser mit Krisen umgehen können als zentral gelenkte Konzernstrukturen.

Fassen wir zusammen: Wenn sich der Rauch der Machtübergabe in den USA gelegt haben wird und sich vielleicht auch ein Silberstreif an Hoffnung für die Überwindung der Pandemie am Horizont zeigt, müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen. Über allem steht für mich die Erkenntnis, dass wir gemäß Einsteins Warnung, die Welt zwar so einfach wie möglich, aber nicht einfacher betrachten sollten, wieder größere Sorgfalt in unsere Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse bringen müssen. Wir müssen die Scheuklappen ablegen und sie künftig ganz vermeiden. Es ist eben nicht dauerhaft erfolgreich, wer sich seine Welt so baut, wie sie ihm gefällt. Und das ist keine „Fake News“.

Herzliche Grüße aus Brand

Hans-Dieter Krönung

 

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