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Hans-Dieter Krönung

„Alles, was Du brauchst, ist Ignoranz und Selbstbewusstsein, und der Erfolg ist Dir sicher.“

(Mark Twain)

Im Juni 2010, also vor 11 Jahren, erschien der „Standpunkt“ Nr. 2, mit dem Titel „Das mechanische Führungsprinzip“. Thematischer Schwerpunkt war die Beobachtung, dass die meisten Führungskräfte ein relativ einfach strukturiertes Verständnis davon haben, wie man Menschen dazu bringt, gute Leistungen zum Wohl des Unternehmens zu erbringen. Das von mir seinerzeit als „mechanisch“ bezeichnete Führungsprinzip, basiert auf dem Dreiklang Vorgabe, Soll-Ist-Vergleich (Kontrolle) und Bonifikation, d.h. man bricht die Unternehmensziele auf Einzelziele eines Mitarbeiters herunter, etabliert ein Kontrollsystem, das größtmögliche Transparenz sicherstellt, und stellt möglichst attraktive Belohnungen in Aussicht, wenn die vorgegebenen Ziele erreicht oder gar übertroffen werden.

Heute, über 10 Jahre später und angesichts rasanter Veränderungen durch Digitalisierung, New Work und Agilität, wäre ja zu erwarten, dass sich auch das Führungsverständnis in unserer Branche entsprechend weiterentwickelt hat, auch, weil der Einfluss von FinTechs sowie anderen Branchen mit anderen Führungskulturen sicher zugenommen hat.

Ich erinnere mich noch an die leuchtenden Augen vieler Top-Manager, wenn sie von den modernen Arbeitsformen, die in den FinTech-Laboren zu beobachten waren, berichteten und davon träumten, in weitgehend Hierarchie-freien und hoch-engagierten Organisationen mitwirken zu können.

Wie also fällt die Bilanz aus? Was hat sich verändert? Um es vorwegzunehmen: Nichts!

Die Finanzbranche ist nach wie vor eine Trutzburg überkommenen Führungsverständnisses, vor allem, wenn es um die Organisation der Marktbearbeitung geht, wo heute die größten Führungsherausforderungen zu bewältigen sind.

Seit über 10 Jahren sitzen mir „erfahrene“, besser: eingefahrene Führungskräfte gegenüber und erzählen mir im Brustton der Überzeugung, ihr verstaubtes, historisch gewachsenes und völlig aus der Zeit gefallenes Steuerungssystem „funktioniere gut“. Was meinen sie damit? Im Wesentlichen sind drei Gründe für dieses Schlafwandeln zu nennen:

  1. Misstrauen

Es ist leider immer noch so, dass seitens des Top-Managements insbesondere gegenüber Marktmitarbeitern ein beträchtliches tiefgründiges Misstrauen besteht, ob und inwieweit die Herrschaften „da draußen“ genau das tun, was sie sollen und nicht das, was sie wollen.

Und da es sich beim Vertrieb um das gleiche Phänomen wie beim Fußball handelt, dass nämlich jeder ein Experte ist, weiß natürlich auch jeder, was besser gemacht werden könnte.

Doch weil die meisten dieser „Experten“ niemals im Vertrieb tätig waren oder es schon so lange her ist, dass sie sich kaum noch daran erinnern können, glauben sie an die Wirkung von Kontrolle anstelle der Wirkung von Begeisterung und an die Macht der Zahlen anstelle der Macht der Überzeugung. Wer aber mit diesem Ansatz an Menschen herantritt, der muss sich nicht wundern, dass ihm die Menschen mit Skepsis, Zurückhaltung und Illoyalität begegnen, was wiederum den Drang zur Kontrolle verstärkt und damit wiederum dazu führt, dass die Kontrollsysteme weiter ausgefeilt und detailliert werden, um die Transparenz noch weiter zu steigern, was dazu führt, dass sich die betroffenen Mitarbeiter noch weiter mental zurückziehen, was wiederum dazu führt, dass die Prozesse noch weiter standardisiert werden, um Individualität und Heterogenität zu minimieren, was dazu führt, dass viele Mitarbeiter weiter demotiviert werden, was wiederum dazu führt, dass die Kontrollsysteme um Motivations- und Unterstützungsaspekte erweitert werden, was zu einer weiteren Reduzierung von Eigeninitiative bei den Mitarbeitern führt, was wiederum …..

  1. Macht

Die weitaus meisten Finanzinstitute verfügen über selbstgebastelte, also „historisch gewachsene“ Steuerungssysteme für die Marktbearbeitung, mal mehr, meist weniger wissenschaftlich unterlegt, und von vergleichsweise wenigen, also sehr wenigen Mitarbeitern entwickelt, verstanden und gewartet.

Damit verfügen diese wenigen Mitarbeiter über ein bedeutendes Herrschaftswissen, denn sie verfügen über die Transparenz der relevanten Daten, über die Methodik ihrer Auswertung und die Deutungshoheit der Ergebnisse. Diese Menschen haben wirklich Macht.

Und da Macht ein „süßes Gift“ ist, das man ungern aus der Hand gibt, wenn man es einmal genossen hat, besteht im Allgemeinen in diesen Stabsabteilungen wenig Neigung, am Status quo etwas zu ändern, weil jede Änderung im Prinzip die Gefahr eines Machtverlusts in sich birgt. Mehr noch: Je komplizierter ein solches System geworden ist, umso unangreifbarer werden seine Hirten.

  1. Unkenntnis

Mir fällt auf, dass die meisten Manager der festen Überzeugung sind, zu verstehen, was es braucht, um eine Organisation erfolgreich zu machen. Sie machen ambitionierte Pläne, bauen Organisationsstrukturen um, straffen Prozesse und schulen Führungskräfte im „Change Management“. Dann, vereinfacht ausgedrückt, lehnen sie sich zurück und warten auf die Ergebnisse und warten und warten und warten …

Diese Manager missverstehen eine Organisation als eine Maschine, in der die buchstäblichen Rädchen ineinandergreifen (sollen), und agieren entsprechend wie ein Mechaniker.

Die in der Wissenschaft seit vielen Jahrzehnten bekannten und in allen relevanten Disziplinen geteilten Erkenntnisse der „Funktionsweise“ von Menschen, nach denen sich Menschen nur über die emotionale Ansprache erreichen und motivieren lassen, ist den meisten Managern in der Finanzindustrie offenbar weitgehend unbekannt; mindestens halten sie sie für nicht entscheidend relevant. Daher muss man sich nicht wundern, wenn nach dem Prinzip verfahren wird: Wenn Du einen Hammer in der Hand hältst, sieht alles aus wie ein Nagel.

Misstrauen, Macht und Unkenntnis sind ein problematischer Cocktail, wenn es darum geht, eingefahrene Wege in Frage zu stellen und zu verlassen. Dazu trägt zusätzlich bei, dass Manager in der Finanzindustrie zur Vorsicht neigen und daher zwar häufig die Notwendigkeit zur Veränderung propagieren, diese aber höchst ungern selbst initiieren.

Unbestritten verfügen Finanzinstitute heute über ein riesiges Arsenal an vertriebs-unterstützenden Instrumenten, Prozessen und Methoden, aber das Führungsprinzip an sich hat sich nicht verändert.

Das ist vor allem deshalb problematisch, weil es der Branche insgesamt und dem Vertrieb von Finanzdienstleistungen im Besonderen an qualifiziertem Nachwuchs fehlt.

Junge Menschen haben heute andere Vorstellungen von ihrer Arbeitsumgebung, als Zielkarten abzuarbeiten und sich ständig für negative Soll-Ist-Abweichungen rechtfertigen zu müssen. Es mangelt nicht an Erkenntnissen darüber, was Nachwuchskräfte wünschen und wie sie geführt werden wollen. Stichworte sind Eigenverantwortung, Gestaltbarkeit des Tagesablaufs, Entwicklungspotenzial, Teamarbeit und Wertschätzung. Alle diese Aspekte sind in „traditionell“, d.h. altbacken geführten Instituten entweder nicht gegeben oder nur schwach ausgeprägt, jedenfalls nicht als Leitbild eines Führungsprinzips erlebbar.

Stattdessen wurde und wird investiert, als gäbe es kein Morgen, wenn es sich um angeblich neue Instrumente der Vertriebssteuerung handelt, wie z.B. Data Analytics, Kundenbefragungs-Indikatoren, Lebenszyklus-Analysen von Kunden oder agile Projektarbeit. Dies zeigt den offenbar unausrottbaren Glauben an die Wirkung von solchen Instrumenten.

Dabei müsste doch den meisten der erfahrenen Manager längst klar geworden sein, dass es so einfach nicht sein kann, denn wenn es wirklich funktionieren würde, hätte es doch schon längst jedes Institut im Einsatz und überall würde „das Geld von der Decke tropfen“.

Der Kern des mechanischen Führungsverständnisses und gleichzeitig sein größter Irrtum ist der Glaube an den „Goldenen Schlüssel“, den man irgendwann finden wird und der den Motor der Organisation in Gang setzt, so dass man als Manager im Lehnstuhl sitzen und das Gaspedal gemäß der eigenen Ambition durchdrücken kann. Davon träumen immer noch viel zu viele Manager, und wenn sie nicht davon träumen, dann handeln sie mindestens aber so.

Was kann man tun?

Die progressiven Kräfte haben mindestens einen mächtigen Verbündeten, nämlich die Rahmenbedingungen des Marktes. Das sprichwörtliche Wasser steht bereits im Keller und dringt scheinbar unaufhaltbar nach oben.

Es besteht daher die begründete Hoffnung, dass es auch dem mechanischsten aller Manager irgendwann auffällt, dass er im Nassen sitzt und sich das nicht gut anfühlt, weswegen die Bereitschaft steigt, über Veränderungen in seinem Weltbild nachzudenken. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, müssen wir da sein. Wir müssen zeigen, dass es nicht nur kein Risiko ist, ein anderes, ein neues Führungsprinzip zu verfolgen, sondern dass es dazu im Grunde keine Alternative gibt, wenn man dauerhaft überleben will.

Gerade für die Marktbearbeitung gilt doch, dass dies das Schlachtfeld ist, auf dem entschieden wird, wer übrigbleiben und wer verschwinden wird. Auch wenn man angesichts der aktuellen Entwicklungen in den Großbanken zu dem irrigen Schluss kommen könnte, das Heil in der Kostenreduzierung finden zu sollen, dürfte doch allen seriösen Experten klar sein, dass jedes Unternehmen nur dann erfolgreich überleben kann, wenn es vertrieblich erfolgreich ist.

Dazu braucht es allen digitalen Tendenzen zum Trotz engagierte Mitarbeiter, die mit Lust und Kreativität ihren Kunden bestmögliche Lösungen anbieten können. Die meisten dieser Mitarbeiter muss man erst einmal finden und für den Bankberuf und den Vertrieb begeistern. Dazu muss man ihnen ein Umfeld bieten, das sie gleichermaßen fordert und entwickelt, vor allem aber eines, das ihnen ein Sozialgefüge bietet, in dem sie sich respektiert und wertgeschätzt fühlen.

Es gibt eben im Management, wie auch im Fußball, viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die man verstanden haben und die man fühlen können muss, die nicht so einfach erklärt und kopiert werden können. Fußball-Kommentatoren haben für die vielen unerklärlichen und überraschenden Ereignisse, die man über eine Saison beobachten kann, den Satz gefunden: „Vieles spielt sich beim Fußballer zwischen den Ohren ab“.

Dies gilt auch für den Mitarbeiter (bzw. die Mitarbeiterin), weshalb es eben nicht so einfach ist, dass das Runde einfach nur in das Eckige muss.

Es muss sich noch vieles tun, um Finanzinstitute zu Hochleistungsorganisationen zu machen. Das richtige, das moderne Führungsprinzip ist ein elementarer Schritt dazu. Vielleicht ist es dazu ja noch nicht zu spät.

 

Herzliche Grüße aus Brand

Hans-Dieter Krönung

 

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