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Hans-Dieter Krönung

„Ich habe alles weggeschlagen, was nicht dazu gehört“

(Michelangelo auf die Frage, wie er den „perfekten Körper“ des „David“ schaffen konnte)

MichelangeloIch spreche seit vielen Jahren mit vielen Vorständen und Geschäftsführern großer und mittelgroßer, manchmal aber auch kleiner Unternehmen.

Für die Top-Manager großer Unternehmen ist die Größe der von ihnen zu führenden Organisation zumeist wenig Lust, häufiger Frust. Sehr oft höre ich dann die Feststellung: „In einem kleinen Unternehmen sind eben viele Dinge einfacher, wir dagegen sind so komplex“.

Das klingt zwar logisch, stimmt aber nicht, denn eine meiner Erfahrungen ist, dass der Erfolg eines Unternehmens in den allermeisten Fällen nicht durch exogene und somit nicht beeinflussbare Faktoren beeinflusst wird.

Ein sehr geeignetes Beispiel sind Regionalbanken, wo seit Jahren klar erkennbar ist, dass es überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Größe, Region, Topologie, Ökologie, Politik sowie Wetter und dem Erfolg einer Sparkasse oder Genossenschaftsbank gibt. Sicher, an manchen Stellen sind wild gewordene oder schlicht einfältige Politiker ein Ärgernis im Verwaltungsrat einer Sparkasse oder fehlgeleitete Mitglieder stören die Arbeit im Aufsichtsrat einer Genossenschaftsbank, aber nirgends kann ein Vorstand glaubhaft vermitteln, dass deswegen die Ergebnisse besonders schlecht seien.

Nein, es ist völlig klar und nicht nur von mir auch häufig schon so postuliert worden, dass der Erfolg oder Misserfolg einer Bank zu 99 Prozent das Spiegelbild ihrer Management-Qualität ist.

Doch es muss die Frage gestellt werden, was denn die wesentliche Quelle für Management-Qualität ist, was also dazu führt, dass es kleine und große Banken mit guten und schlechten Betriebsergebnissen gibt, und zwar in Stadt und Land, in „guten“ wie in „schlechten“ Märkten.

Es wird den ein oder anderen Manager überraschen, wenn ich sage, dass es die Komplexität ist, zumal ich weiter oben die Relevanz von Komplexität scheinbar negiert habe. Komplexität wirkt auf den ersten Blick wie eine willkommene Ausrede, denn schließlich gehört es quasi zum „guten Ton“, in Arbeitsgemeinschaften von Vorständen angemessen lange und intensiv über das Versagen der Politik, die ständig steigende Flut regulatorischer Vorgaben und die eigene Opferrolle zu lamentieren.

Auf den zweiten Blick liegt die Sache aber nicht so einfach, denn zweifelsfrei sind die Rahmenbedingungen schwieriger, also komplexer, geworden, aber ganz offensichtlich gelingt es einigen Managern, besser mit diesen Rahmenbedingungen umzugehen als anderen, was bedeutet, dass die Rahmenbedingungen nicht ohne Weiteres als Grund für schlechtere Ergebnisse als bei den vergleichbaren Banken herangezogen werden können.

Was also bedeutet „Komplexität“ als Quelle von Management-Qualität? „Komplexität“ ist die Fülle der Entscheidungs-relevanten Einflussfaktoren und deren Dynamik. Es ist unbestritten, dass die Komplexität im Bankgeschäft in den vergangenen 10 Jahren deutlich zugenommen hat. Ich brauche die Parameter hier nicht aufzuführen.

Ich beobachte dabei seit Jahren vier Gruppen von Managern, wie sie jeweils mit der gestiegenen Komplexität umgehen. Die erste Gruppe nenne ich die „Arbeitstiere“, d.h. diejenigen Manager die die steigende Komplexität durch mehr operative Arbeit zu bewältigen versuchen. Das sind diejenigen Manager, die sich bspw. während der Corona-Krise nächtelang in die Ausführungsbestimmungen der Überbrückungshilfen eingearbeitet haben, um ihren Führungskräften (und Kollegen in Arbeitskreisen) damit zu imponieren, alle Punkte im Detail zu kennen. Man erkennt diese Manager relativ einfach daran, dass ihr Büro immer aussieht wie ein Schlachtfeld, weil sich die Unterlagen bis an die Decke stapeln sowie daran, dass sie sich in epischer Breite über die Details von Regelungen und Vorschriften auslassen.

Wenn man die „Arbeitstiere“ nach der Strategie für „ihr“ Unternehmen fragt, werden sie relativ einsilbig, weil sie keine Zeit hatten, darüber nachzudenken bzw. es auch gar nicht können, weil sie es nie gemacht haben. Infolgedessen sind Banken, die von „Arbeitstieren“ geführt werden, beständig „Burnout“-gefährdet, weil sie von ihren Chefs permanent unter Dauerdruck gehalten werden, immer wieder schnell und aufwändig reagieren müssen, niemals Zusammenhänge verstehen und sich deshalb mit der Zeit darauf beschränken, das abzuarbeiten, was gefordert wird, und zwar am besten ohne jegliche Mitverantwortung.

Das Risiko liegt auf der Hand: „Arbeitstier“-geführte Organisationen werden perspektivisch handlungsunfähig, weil das Management immer einsamer wird, was die Entscheidungen angeht, die zu treffen sind, worunter dauerhaft auch die Qualität der Entscheidungen und in der Folge auch die Ergebnisse leiden.

Die zweite Gruppe sind die „Ignoranten“, d.h. diejenigen Top-Manager, die die Realität einfach weitgehend ausblenden, nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Diese Manager hoffen einfach darauf, dass sich die Welt wieder dahin zurückentwickelt, wo sie einmal vor 20 Jahren war, oder, dass sie es noch irgendwie unbeschadet in die Pensionierung schaffen. Organisationen, die von „Ignoranten“ geführt werden, verharren in tradierten Prozessen und Strukturen, machen nur das Allernötigste, um bspw. an der digitalen Entwicklung teilzunehmen und besitzen keinerlei Inspiration für Führungskräfte, Kunden und Mitarbeiter: „So haben wir das schon immer gemacht …“. Der Hauptgrund für dieses Verhaltensmuster ist die Unfähigkeit bzw. die Unwilligkeit, sich mit der Komplexität konstruktiv auseinanderzusetzen, aus Angst, den eigenen Platz (und seine Macht) in dieser veränderten Welt wieder neu finden zu müssen.

Natürlich können auch solche Banken nicht dauerhaft erfolgreich sein, weil immer irgendwann auch das letzte Kabel-gebundene Telefon abgeschaltet wird und man sich schon auch darauf einstellen muss, dass sich bei den Kunden die Erwartungen an die Bank und das Einkaufsverhalten verändern.

Die dritte Gruppe könnte man eigentlich auch als eine Unterart der „Ignoranten“ bezeichnen, auch wenn sie uns zunächst ganz und gar gegensätzlich erscheint, nämlich die Gruppe der „Träumer“.

„Träumer“ haben ein einfaches Bild der fernen Zukunft, in der z.B. alle Bankgeschäfte nur noch digital über das Handy initiiert und die Beratung und die Abwicklung über „Plattformen“ funktionieren, weshalb man eigentlich jetzt schon alles andere abschaffen kann. Sie folgen damit, ohne es zu wissen und zu wollen, der philosophischen Tradition der Marxisten, für die immer klar war, dass am Ende jeder gesellschaftlichen Entwicklung der Sozialismus und die Übernahme des Produktivvermögens durch die Arbeiterklasse stehen müsse. Bekanntermaßen steht der abschließende Beweis für diese Überzeugung noch aus, was ja insbesondere Karl Popper zu seinen höchst intelligenten Ausführungen über den „Historizismus“ veranlasst hat, nach denen es eben grundsätzlich keinen vorgeschriebenen Verlauf gesellschaftlicher Entwicklungen geben kann.

Sehr ähnlich verhält es sich mit den „Träumern“, denn deren Risiko ist, dass sich „die Welt“ doch nicht so oder nicht ausreichend schnell in die totale Veränderung begibt, dass man bspw. doch noch auf Jahre hin über Filialen und persönlichen Kontakt Erträge in nennenswertem Umfang generieren kann, die man nämlich dazu braucht, den Weg in die „neue Welt“ überhaupt überleben zu können.

Kommen wir nun zur vierten und, ich traue mich kaum, es auszusprechen, kleinsten Gruppe von Managern, den „klaren Köpfen“, wie ich sie nennen möchte. Es zeichnet diese Gruppe von Managern aus, dass sie einen Plan haben.

Natürlich ist richtig, dass alle Manager Pläne haben, nämlich sogenannte „Mittelfristplanungen“, in denen qualitativ abgebildet ist, wie sich die Zahlen der Bank in den kommenden Jahren entwickeln sollen (!). Das ist hier aber mit „Plan“ nicht gemeint.

Fragen Sie sich bitte einmal in einer ruhigen Minute, ob Sie einen Plan haben, wie (!) Sie ihre quantitativen Ziele erreichen können, d.h. welche Dinge in Ihrer Organisation konkret besser werden müssen (und wie (!) sie besser werden), um erfolgreich zu sein.

Es könnte gut sein, dass Sie meine Bitte nicht verstehen, weil Sie sich denken, Ihre Arbeit sei ja getan, wenn Sie ihren Führungskräften Ihren Plan (Mittelfristplanung) vorstellten und jedem Bereich mitteilten, was sie von ihm an Ergebnissen erwarteten.

Was hat das mit Komplexität zu tun? Ganz einfach: Eine Organisation, in der kein wirklicher Plan in dem Sinn existiert, dass jede OE, jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter nicht nur weiß, was er zu tun hat, sondern auch, wie (besser noch: warum) es getan werden muss, um „gut“ zu sein, irren die OEs, Führungskräfte und Mitarbeiter herum, um irgendwie bestmöglich die (quantitativen) Ziele zu erfüllen. Es liegt auf der Hand, dass das eine gigantische Energieverschwendung ist, weil nicht davon auszugehen ist, dass wie von Zauberhand alle eng abgestimmt und sich gegenseitig unterstützend in die gleiche Richtung laufen. Solche Organisationen sind beständig damit beschäftigt, Katastrophen zu vermeiden und ein Mindestmaß an Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Bei vielen Top-Managern in solchen Organisationen hört man dann, dass „es eigentlich ganz gut laufe“, aber von „ganz gut“ bis „richtig toll“ ist noch ein weiter Weg.

Der Dichter Saint-Exupery hat ja das berühmte Beispiel von den Männern, die ein Schiff bauen sollen, formuliert. Was oft missverstanden wird, ist, dass es dabei nicht nur um das Träumen, sondern vor allem um die Effektivität, also gewissermaßen das Gegenteil von Komplexität, geht. Wenn man weiß, wofür man etwas tut und wie man es zu tun hat, damit es optimal ist, dann wird keine Energie verschwendet, es entsteht keine unnötige Komplexität und man hat gute Chancen, erfolgreich zu sein. Was bedeutet das für unsere Manager-Typen?

Man kann sich an der gestiegenen operativen Komplexität totarbeiten oder die Komplexität zu ignorieren versuchen, aber sie bleibt dennoch da. Manager mit einem Plan, wie oben beschrieben, haben ein strategisches und ein daraus abgeleitetes, operatives Bild von der Welt, d.h. auf welche Erfolgsfaktoren es ankommt, um erfolgreich zu sein, wer im Unternehmen dazu welchen Beitrag leisten muss, welche Risiken wie vermieden werden müssen und wie sich die Kompetenzen im Unternehmen dazu gegenseitig ergänzen müssen.

Eine in diesem Sinn „geordnete“ Welt, hilft außerordentlich, Komplexitätsimpulse schnell einordnen und erledigen zu können: Handelt es sich um grundlegend neue Informationen, die verarbeitet werden müssen, oder bestätigen die Informationen die bestehende Sicht, müssen also nicht weiterbearbeitet werden? Sind die Informationen in der gesamten Organisation transparent, so dass jede OE weiterhin eigenverantwortlich an ihren Zielen arbeiten kann oder bedarf es der breiten Kommunikation, weil Veränderungen angeschoben werden müssen?

Erfahrungsgemäß bewahren die „klaren Köpfe“ daher auch in hektischeren Zeiten die Ruhe und Orientierung, weil sie einen fundierten Plan haben sowie schnell und gut einschätzen können, was wirklich relevant ist und was eben auch schnell erledigt werden kann, ohne unnötige Hektik auszulösen. Schädliche Komplexität ist daher das, was man mangels eines Plans zulässt und sich unnötigerweise in der Organisation breitmacht. Sie verbraucht Energie, die an anderer Stelle zur Bearbeitung der unvermeidbaren Komplexität gebraucht wird.

Wenn Sie also das Gefühl haben, dass Ihnen alles über den Kopf wächst bzw. dass die Organisation nur noch mit sich selbst beschäftigt ist, um irgendwie die Dinge hinzubekommen, spätestens dann sollten Sie an Michelangelo denken und alles wegschlagen, was nicht dazu gehört. Sie werden feststellen, dass auch das nicht so einfach, aber ohne Alternative ist.

Gehen Sie in den Keller und holen Sie Hammer und Meißel ….

 

Herzliche Grüße aus Brand

Hans-Dieter Krönung

 

 

 

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