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Hans-Dieter Krönung

„Der Schwache zweifelt vor der Entscheidung, der Starke hinterher“

(Karl Kraus)​

In den vergangenen Jahren ist der Umgang mit den regulatorischen Vorschriften und Prüfungen zu einem immer größeren Ärgernis für alle Banken geworden, auch und insbesondere für kleinere und mittelgroße Banken, die meist nicht über die erforderlichen Kapazitäten und Kenntnisse verfügen, um die z.T. komplexen Zusammenhänge zu durchdringen.

Es steht überdies der Vorwurf im Raum, dass die Aufsichtsbehörden das richtige Maß verloren hätten, wenn es um die Erfassung und Bewertung von Risiken in den Bankbilanzen geht, ja sogar, dass man seitens „der Politik“ die Regulatorik bewusst und gezielt als Instrument der Strukturbereinigung einsetze, um kleinere Banken zu zwingen, sich zu größeren Einheiten zusammenzuschließen bzw. sich von größeren Banken übernehmen zu lassen.

Ich bekomme sehr häufig Episoden von Prüfungserlebnissen geschildert, die, wenn sie sich tatsächlich so zugetragen haben, den Eindruck vertiefen, dass insbesondere im Umgang mit kleinen Instituten z.T. groteske Verhaltensweisen und Bewertungsmaßstäbe von Prüfern zu beobachten sind, die wirklich nichts mehr mit „vernünftiger“ Anwendung des Regelwerks und seiner Intentionen zu tun hat. Die Reaktion der betroffenen Bankmanager reicht dann von Unverständnis über Wut bis Resignation, allesamt Reaktionen, die angesichts der angespannten Rahmenbedingungen nicht hilfreich sind.

Es lohnt sich daher, den Komplex der „regulatorischen Überwachung“ einmal sauber zu strukturieren und zu versuchen, herauszuarbeiten, an welchen Stellen durch wen welche Gefahr droht.

Ich habe zwar keinen Zugang zu politischen Institutionen, die in der Lage wären, wesentliche Veränderungen vorzunehmen, aber vielleicht „verirrt“ sich ja einmal dieser „Standpunkt“ zufällig an eine der Stellen, wo Richtungs- oder Umsetzungsentscheidungen getroffen werden.

Zunächst muss noch einmal daran erinnert werden, dass die deutliche Intensivierung der Prüfung des Finanzdienstleistungsgewerbes in der Folge der Lehman-Pleite eine Reaktion der Öffentlichkeit, also der Politik, auf die ungeheuren Summen war, die die Staaten aus Steuergeldern aufwenden mussten, um den System-relevanten Sektor und seine schwankenden Protagonisten am Leben zu halten. Da war es nur recht und billig, alles zu tun, um dies künftig zu verhindern.

Zudem hatten sich bis dahin nicht nur die bekannten Triebtäter der Branche, sondern auch viele kleinere Institute dem Verstoß gegen den Grundsatz der Kundenwertschätzung schuldig gemacht; ich darf nur an den Themenkomplex der Immobilien- und Schiffsfonds erinnern.

Nachdem „der Staat“ die größten Probleme mit viel Geld zugeschüttet hatte (denn von einer tiefgreifenden Reform des Finanzdienstleistungsmarktes kann man bis heute nicht sprechen), machte er sich an die Aufgabe, künftige Fehler durch verstärkte Prüfung und verschärfte Auflagen für Eigenkapitalunterlegung und Bonifikationen vermeiden zu wollen.

Das dabei in der Politik wohl übersehene Problem besteht nun darin, dass man sich der Bedeutung der Sicherstellung der Balance zwischen der Wahrnehmung unternehmerischer Chancen und dem Vermeiden unangemessener Risiken nicht bewusst war und bis heute nicht ist. Auch Banken sind nämlich Unternehmen (und keine Institutionen), die mehr denn je darauf angewiesen sind, unternehmerische Chancen im Markt zu erkennen und mutig zu nutzen, ohne dabei selbstverständlich Risiken einzugehen, die dem betroffenen Unternehmen bzw. der Gesellschaft nicht zuzumuten sind.

Nun ist der Staat kein Unternehmer, d.h. er kann zwar Unternehmen betreiben, aber seine DNA ist nicht die des Unternehmers, und das ist normalerweise auch gut so.

Damit ist jetzt die große Gefahr entstanden, dass man seitens der politischen Kräfte kein Gespür dafür entwickelt hat, dass am anderen Ende der regulatorischen Schraube, an der man so lange glaubt drehen zu können, bis keine Risiken im Finanzsystem mehr stecken, das unternehmerische Engagement steht, dem man sprichwörtlich die Luft abdrückt, getreu der Handwerkerregel für das Festziehen von Schrauben: Nach „fest“ kommt „ab“.

Wer, wie die Politik, nur die eine Seite der Medaille, nämlich die der Risikovermeidung, betrachtet, handelt wie der Kredit-Vorstand, der auf jeden Kreditantrag schrieb: „Ich warne!“. Würde man diesem „Experten“ gefolgt sein, gäbe es zwar keine Risiken, aber eben auch keine Bank mehr.

Genauso muss die Politik verstehen, dass sie im Begriff ist, eine Schraube zu überdrehen, wenn sie auf ihrer „Mission Sicherheit“ alle Banken, auch die kleinsten, nur als potenzielle Krisenherde ansieht und behandelt, anstatt die Ausgewogenheit zwischen unternehmerischem Mut und notwendigen Risikobeschränkungen zu bewahren.

Natürlich kann man verstehen, dass es einer Aufsichtsbehörde im Prinzip lieber ist, wenn sie es nur mit wenigen großen Instituten zu tun hat anstelle vieler kleiner, unabhängiger Regionalbanken mit allen ihren regionalen Besonderheiten. Insofern mag es aus Gründen der Effizienz sogar nachvollziehbar sein, wenn seitens eifriger Amtsträger daran gearbeitet wird, den Finanzsektor stärker zu konsolidieren, um sich lästigen „Kleinviehs“ zu entledigen.

Es muss an dieser Stelle warnend der Finger (und die Stimme) erhoben werden, denn niemand in diesem Land darf vergessen, wie wichtig und erfolgreich uns die mittelständischen Strukturen in allen Branchen gemacht haben. Mittelständische Strukturen sind nun einmal kleinteilige und meist regionale Strukturen, und genau darin liegt auch ihre gewaltige Kraft. Das gilt auch für die Finanzwirtschaft, gerade im Zusammenspiel mit den vielen kleinen und mittelgroßen Betrieben, um die sich vor allem die regionalen Banken kümmern. Nicht auszudenken, wo der deutsche Mittelstand stünde, wenn er von den ständig wechselnden Kreditvergaberichtlinien in den Bankkonzernen abhängig wäre.

Warum sind gerade die Genossenschaftsbanken seit vielen Jahren die großen Gewinner hinsichtlich Geschäftsvolumen und Erträgen im deutschen Bankenmarkt?

Weil diese Bankengruppe wie keine andere das Prinzip der unternehmerischen Eigenverantwortung lebt. In den Aufsichtsgremien der Volks- und Raiffeisenbanken sitzen meist selbst mittelständische Unternehmer, die wissen, wie man ein Geschäft erfolgreich betreibt, und keine Politiker, die andere Interessen verfolgen.

Man hat weder in Brüssel noch in Berlin wirklich verstanden, dass das Lob auf den „Mittelstand“, das Politiker ständig im Mund führen, auch den Finanzsektor einschließen muss. Es sind die kleinen und die mittelgroßen Institute, die den finanziellen „Blutkreislauf“ aus Finanzierung und Geldanlage in einer Region am Laufen halten, und die vor allem aus ihrer regionalen Verwurzelung heraus Kenntnisse besitzen, an bestimmten Stellen unternehmerische Risiken eingehen zu können, die an weiter entfernter Stelle so nicht beurteilt werden können.

Unternehmerische Risiken in einer Region einzugehen, bedeutet natürlich nicht, und auch das muss klar gesagt werden, dem Bürgermeister die Geburtstagsparty zu finanzieren oder andere Formen von Günstlingswirtschaft zu betreiben. Insofern kann keine auch noch so kleine Bank für sich beanspruchen, unter dem Radar der Beaufsichtigung segeln zu dürfen.

Diese Dinge stehen außerhalb der hier geführten Diskussion.

Nun könnte man anführen, dass man gerade für die Vermittlung u.a. der Bedeutung mittelständischer Strukturen an die Politik vielfältige Verbandsstrukturen, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich, geschaffen hat, die doch eigentlich diese Aufgabe eines positiven Lobbyings wahrnehmen können sollten, vergleichbar den Industrieverbänden.

Dabei vergisst man allerdings, dass in diesen Verbänden viele Menschen arbeiten, denen das unternehmerische Denken und Handeln selbst fremd ist, d.h. die sich entschlossen haben, in einem Verband zu arbeiten, weil ihnen das Überwachen bzw. das Vereinheitlichen komplexer Strukturen nähersteht als das Management von Vielfalt.

Das ist kein Vorwurf, denn es braucht auch diese Sichtweisen und Tätigkeiten, denn gerade dies ist ein Kernaufgabengebiet von Verbänden: Unterschiedliche Eigeninteressen zu bündeln, um dadurch Effizienz und Wirkung zu erzielen, dass man also als „Schwarm“ und nicht als chaotischer Haufen auftritt.

Auch Verbände sind beständig der Gefahr ausgesetzt, die Vereinheitlichungen bei Strategien, Prozessen und Strukturen so weit treiben zu wollen, dass am Ende die unternehmerische Kraft leidet und Funktionäre statt Unternehmern für die Vorstandsetagen gezüchtet werden. Es muss also immer wieder daran erinnert werden, dass nur die unternehmerische Kraft dafür sorgt, dass etwas Werthaltiges wie eine gesunde Bank entsteht. Dagegen dürfte eine vollständig normierte und regulatorisch „keimfreie“ Bank auch eine tote Bank sein.

Daher sitzen Verbände und Politik/Aufsicht praktisch in einem Boot, weil sie den gleichen Zugang zur Problemlösung haben, nämlich Vereinheitlichung und Vereinfachung. Demgegenüber ist der Unternehmer vor Ort derjenige, der sich unterscheiden muss, also gerade nicht genau das zu tun, was andere auch machen, sondern eigene, z.T. neue Wege finden. Dieser Konflikt kann nicht gelöst, aber er kann verstanden werden.

Es bringt daher wenig, auf die Verbände einzuprügeln, um seinem Frust ein Ventil zu geben. Es bedarf der Hinwendung zu einer Aufgabe, die immer wieder dramatisch vernachlässigt wird, obwohl gefühlt jeder ständig darüber spricht: Die Strategie.

Ich höre immer wieder den Satz: „Wir haben kein Strategieproblem, sondern ein Umsetzungsproblem!“. Und das führt dann dazu, dass sich alle, vor allem die Verbände, auf die Umsetzung einer vermeintlich ausformulierten Strategie konzentrieren, natürlich mit dem Ziel, dass alle möglichst das Gleiche machen.

Eine wahrhafte Strategie, die den Namen auch verdient, muss auf dem Grundsatz aufbauen, dass unternehmerisches Handeln die Wurzel allen Erfolges ist, dem sich alles andere, auch die Regulatorik, prinzipiell unterzuordnen hat; der Schwanz darf nicht mit dem Hund wedeln.

Ein weiterer Kern dieser Strategie muss die Aussage sein, dass alles Geschäft lokal ist, d.h. die Bedürfnisse des Kunden in all ihrer Vielfalt im Mittelpunkt der Marktbearbeitung stehen, woraus wiederum folgt, dass Uneinheitlichkeit in der regionalen Marktbearbeitung keine Schwäche, sondern eine Erfolgsvoraussetzung ist, die unbedingt bewahrt werden muss, ob in kleinen oder großen Einheiten.

Vereinheitlichungen wie Standardisierung, Automatisierung und Digitalisierung greifen dort, aber nur dort, wo tatsächlich gleichartige Tätigkeiten sinnvoll gebündelt und vereinfacht werden können.

Und schließlich kann eine sinnvolle Aufsichtsfunktion nur auf der Erkenntnis basieren, dass sie in der Balance mit der Wahrung der unternehmerischen Kraft, also im Miteinander und nicht im Gegeneinander, ihre Bedeutung und ihre Wirkung haben kann.

Wenn sich der Unternehmer dem Prüfer ergibt, degeneriert er zum Funktionär. Funktionäre aber sind der sichere Tod unternehmerischer Energie. Insofern sitzen alle im selben Boot, denn wofür sollte man Prüfer brauchen, wenn es nichts mehr zum Prüfen gäbe.

Also: Man sollte wieder deutlich mehr einander zuhören und verstehen.

Herzliche Grüße aus Brand

Hans-Dieter Krönung

 

 

 

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