EGC EUROGROUP CONSULTING AG

Ihr Ansprechpartner

Hans-Dieter Krönung

„If blood will flow when flesh and steel are one

Drying in the colour of the evening sun

Tomorrow`s rain will wash the stains away

But something in our minds will always stay

Perhaps this final act was meant“

(Sting)​

 

Nun ist es also doch wahr geworden, der erste Krieg auf europäischem Boden seit dem Ende des zweiten Weltkriegs, in dem eine atomare Supermacht ein Nachbarland überfällt. Sinnlos wie jeder Krieg, entsetzlich, was die Folgen für die Menschen in den betroffenen Regionen angeht und schockierend für alle Menschen, die eine solche Barbarei in unserer zivilisierten Welt nicht mehr für möglich gehalten haben.

Wenn man sich anschickt, dies zu kommentieren, und jeder unserer „Standpunkte“ ist ja im Grunde ein Kommentar, dann gilt natürlich, dass kein Text dem Leid, das gerade geschieht, auch nur annähernd gerecht werden kann. Und so befindet sich jeder Schreiberling in dem Dilemma, entweder nichts zu sagen und so zu tun, als gäbe es diese Ungeheuerlichkeit nicht, oder aber wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich mit dem auseinander zu setzen, was einem durch den Kopf geht.

Die Politiker sprechen von „Zeitenwende“ und meinen damit, dass bislang für gültig gehaltene Axiome des politischen Denkens über den sprichwörtlichen Haufen geworfen werden müssen, wie z.B. die Überzeugung, es ließe sich mit Diktatoren anders umgehen als schwer bewaffnet. Was würde Churchill wohl heute sagen, der seinerzeit in der „dunkelsten Stunde“ allen Kräften, die einem Separatfrieden mit Hitler das Wort redeten, entgegenhielt, dass man nicht mit einem Tiger verhandeln könne „mit dem Kopf in dessen Maul“? 

Wer von uns hätte es noch vor wenigen Wochen für möglich gehalten, dass in Deutschland über 100 Mrd. Euro für die Modernisierung der Armee ausgegeben werden sollen, um niemals in diese Situation zu kommen?

Der dreiste Überfall Putins auf die Ukraine hat selbstverständlich eine lange Vorgeschichte, und „der Westen“ kann seine Hände nicht komplett in Unschuld waschen, auch wenn es für die jetzt erfolgte Invasion durch Russland keine irgendwie geartete Rechtfertigung geben kann.

Und wenn man die ungeheuerlichen Lügengeschichten über nach Atomwaffen strebenden Nazis in Kiew hört, die von der russischen Propaganda verbreitet werden (müssen), der lernt ggf. wieder die Bedeutung freier Meinungsäußerung und die Notwendigkeit einer offenen und fairen Berichterstattung, wie wir sie bei uns haben, schätzen und nimmt noch aufmerksamer wahr, dass selbst in den USA nicht unerhebliche Teile des politischen Establishments, nämlich Trump und seine Schergen, genauso mit der Wahrheit umgehen, wie es Putin und seine totalitären Kollegen in anderen Ländern tun. Am Umgang mit der Wahrheit erkennt man den „wahren“ Charakter.

Das vorherrschende Gefühl, das mich beschlichen hat, ist Fragilität. Ein verrückter bzw. entrückter Autist mit einer großen Armee und einem ebenso großen Streben nach Anerkennung hat uns mit einem Schlag vor Augen geführt, dass es einfache Wahrheiten wie „Wandel durch Handel“ nicht gibt. Auch ich hielt es immer für „vernünftig“, dass man über „Nord-Stream 2“ und viele andere Kooperationen gegenseitige Abhängigkeiten schuf, um die Hürden für genau das, was jetzt passiert ist, so hoch wie eben möglich zu heben. Und jetzt stellt sich die Frage, ob man jemals mit Diktatoren wie Putin lebenswichtige oder zumindest bedeutsame Kooperationen eingehen kann. Aber ist es besser, das Öl aus Katar zu beziehen, wo mittelalterliche Despoten herrschen? Sollten wir künftig unser Gas aus den USA beziehen, die zwar, wenn man einen Trump verhindern kann, politisch und ethisch-moralisch deutlich stabiler sind, das Gas aber mithilfe umweltzerstörender Methoden („Fracking“) gewinnen? Oder liegt die Zukunft darin, jetzt alle Kraft auf die erneuerbaren Energien zu setzen, um perspektivisch hoffentlich energiewirtschaftlich weitgehend autark zu sein? Man könnte auch die Augen vor den Gefahren verschließen und auf Atomkraft setzen, wie es die Franzosen tun, aber ganz wohl ist denen ja auch nicht, weil sie ihre Atommeiler tendenziell an ihren Landesgrenzen bauen. Man kann nie wissen …

Wenn Putin`s Aggression für irgendetwas gut sein kann, dann dafür, uns unsere Verletzlichkeit vor Augen zu führen und, was ggf. noch bedeutender ist, uns künftig vor einfachen Antworten auf komplexe Fragen zu schützen.

Wie viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren erheblichen Schaden genommen, weil sie wie die Lemminge dem Outsourcing-Wahn gefolgt sind?! Was nicht schnell genug auf den Bäumen war, wurde gegriffen und ausgelagert, von der IT über die Geschäftsabwicklung bis zu den Pförtnern und den Büropflanzen. Und natürlich waren die Business Cases immer brillant, weil die Faktorkosten offshore so gering waren, dass man eine IT-Lösung auch zehnmal programmieren lassen konnte, bis sie dann endlich passte.

Doch dann wurde überraschend der indische Software-Provider von einem chinesischen Unternehmen übernommen und die Strategie verändert, so dass sich plötzlich ein „schwarzes Loch“ auftat, weil man quasi über Nacht einen Ersatz brauchte usw. usw. Das hat ein bisschen etwas von „Nord Stream 2“.

Ein weiteres Thema dieser Art ist der Umgang mit dem Faktor „Mensch“, der in vielen Unternehmen noch immer seitens des Top-Managements vor allem als „Kapazität“ missverstanden wird, die man „optimieren“, sprich „minimieren“ müsse.

In der Branche der Finanzdienstleistungen ist das vorherrschende Narrativ die Revolution aller Prozesse, Produkte und Geschäftsbeziehungen durch die „Digitalisierung“.

Nach diesem Weltbild besteht das Geschäft mit Finanzdienstleistungen künftig nur noch aus Plattformen, auf denen mehr oder weniger anonyme Anbieter in permanentem Preiskrieg darum kämpfen, aus den durch Social Media explodierenden Kundendaten Ansätze für zielgenaue Kundenangebote zu generieren, also gewissermaßen der umfassende Ansatz von Präzisionswaffen: Drohnenkriegsführung statt Häuserkampf.

Ich bin überzeugt davon, dass Technik-affine Manager solche oder ähnliche Gedanken in ihren Köpfen haben, wenn sie die Zukunft ihrer Banken und Sparkassen planen.

Es gibt ja auch nicht wenige Top-Manager von Regionalbanken, die ernsthaft glauben, ihr Geschäftsmodell könne nur überleben, wenn es weitgehend digital funktioniere; einfache Antwort auf eine komplexe Herausforderung.

Das ist dann, um in unserem Bild zu bleiben, als glaubte die moldawische Armee, mit hochmodernen Drohnen ausreichend gegen eine mögliche Aggression Russlands gewappnet zu sein.

Wir werden wieder lernen müssen, dass der Mensch trotz (oder gerade wegen) seiner grundsätzlichen Unberechenbarkeit nicht nur „Kapazität“ und „Kosten“, sondern auch „Erfolgsfaktor“ sein kann. Der wahrhaft heldenmütige Kampf der Menschen in der Ukraine hat nicht nur viele von uns, sondern offenbar auch den Machthaber im Kreml und seine Generäle überrascht. Putin wäre nicht der erste Oberbefehlshaber einer großen Armee, der den Widerstand eines Volkes unterschätzt hat.

Menschen, die an etwas Sinnvolles glauben und mit ihrer ganzen Kraft dafür kämpfen, das ihnen gelingt, wonach sie streben, sind eine kaum zu unterschätzende Energiequelle.

Bedenken wir, dass für viele Mitarbeiter „ihr“ Unternehmen auch so etwas wie ihre „Heimat“ ist.

Es ist doch die Grundlage des Erfolgs vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen, hochmotivierte und hervorragend ausgebildete Mitarbeiter in ihren Reihen zu haben, die auch in Krisenzeiten „ihren Mann“ stehen. Und es gehört zum Erfolgsrezept vieler dieser Unternehmen, dass ihre Top-Manager das begriffen und verinnerlicht haben.

Viele von uns gehen in dieser Zeit in sich und hinterfragen angesichts der Ängste und Unsicherheiten ihre Pläne und ihre Ziele.

Darin kann auch eine Chance liegen, nämlich, auch die Management-Arbeit sorgfältiger, umsichtiger und verantwortungsvoller zu betreiben.

Ich wünsche mir von den Top-Managern, dass sie

  • den Wert menschlicher Arbeit wieder stärker zu schätzen wissen,
  • die Sinnstiftung des Unternehmens ins Zentrum ihres Managements stellen,
  • das langfristige Wohl des Unternehmens statt kurzfristiger Renditemaximierung im Auge haben und
  • weniger den Lemmingen als dem eigenen Verstand folgen.

Ich wünsche mir von Politik und Aufsicht, dass sie

  • den herausragenden Wert mittelständischer Strukturen, gerade auch im FDL-Bereich, für die Stabilität unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems verstehen und unterstützen und
  • das unternehmerische Denken und Handeln mit allen Kräften unterstützen,

anstatt aus Praktikabilitätsaspekten heraus der Konzentration auf wenige große Unternehmen das Wort zu reden. Es ist nicht gut, wenn das Zusammenleben vieler Kleiner vom Wohlverhalten weniger Großer abhängig ist.

Besteht noch Hoffnung? Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben sich u.a. China und Indien, die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde, bei der Resolution zur Verurteilung des russischen Einmarschs in der Ukraine enthalten. Es gab nicht wenige Kommentatoren, die dies als Beleg für das Ende einer humanistischen Weltordnung als Grundlage der Idee der Vereinten Nationen angesehen haben.

Man könnte dies aber auch als Beleg für die Existenz einer Art „Gewissen“ ansehen, weil das Fehlverhalten Russlands so eklatant und offensichtlich ist, dass man selbst als Eigennutz-getriebenes Land wie China nicht in offenen Gegensatz zum Weltgewissen treten wollte. 

Es ist, wie so oft, die Frage nach dem halbvollen oder dem halbleeren Glas.

Es werden noch viele Menschen in der Ukraine sterben, auf beiden Seiten. Das ist grausame Gewissheit.

Ebenso gewiss ist, dass die Welt nie mehr so sein wird, wie wir sie bisher kannten. Neue Grenzen werden in unseren Köpfen entstehen.

Aus Misstrauen muss wieder Vertrauen entstehen. Dazu müssen Positionen neu bestimmt und Denkmuster aufgebrochen werden.

Hoffen wir, dass dies den weißen alten Männern gelingt, die das Denken und Handeln bestimmen und dass sich nicht wiederholt, was vor beinahe einhundert Jahren passierte, nämlich, dass keiner einen Weltkrieg wollte, er aber trotzdem kam.

Hoffen wir das Beste!

 

Herzliche Grüße aus Brand

Hans-Dieter Krönung

 

 

 

Hat Ihnen der „Standpunkt“ gefallen? Hier erfahren Sie mehr über das Institut für Mobilisierung:
Informationen über das Institut für Mobilisierung

Sie können auch den Newsletter des Instituts abonnieren und bekommen so automatisch den neusten „Standpunkt“ zugesandt.


EGC EUROGROUP CONSULTING AG | Thurn-und-Taxis-Platz 6 | 60313 Frankfurt am Main
Telefon: +49 69 2475055-0 | Fax: +49 69 2475055-50 | E-Mail: info@eurogroupconsulting.de

EUROGROUP CONSULTING GMBH ÖSTERREICH | Dr. Karl Lueger Platz 5 | 1010 Wien
Telefon: +43 (1) 513 448 00 | Fax: +43 (1) 513 448 050 | E-Mail: info@eurogroupconsulting.at