In der Konsultation 13/2020 der BaFin zur Neufassung der Bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT (BAIT) wird in Abschnitt 8.6 unverändert festgehalten, dass ‚ungeplante Abweichungen vom Regelbetrieb […] in geeigneter Weise zu erfassen‘ sind und ‚der Bearbeitungsstand offener Meldungen über Störungen […] zu überwachen und zu steuern‘ ist. In den Erläuterungen zu dieser Textziffer wird allerdings nunmehr ergänzend festgehalten, dass hierfür standardisierte ITSM-Lösungen eingesetzt werden können.
Viele Finanzdienstleister haben in ihrem IT-Service-Management (ITSM) bereits entsprechende Software-Lösungen zur Bearbeitung solcher Störungen erfolgreich im Einsatz. Diese ITSM-Anwendungen helfen allerdings nicht nur die aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, sondern erlauben darüber hinaus auch die Prozesseffizienz zu erhöhen und dadurch Kosteneinsparungen zu erzielen.
Dieser Beitrag schildert die Herausforderungen bei Auswahl und Implementierung einer ITSM-Anwendung und zeigt auf, dass neben der rein technischen Implementierung auch weitere, im Folgenden gewürdigte Aspekte zu berücksichtigen sind, damit die gewählte Lösung erfolgreich zum Einsatz kommt.
Herausforderungen bei der toolgestützten Optimierung von ITSM-Prozessen
IT-Service-Management-Anwendungen dienen vor allem der Steuerung des IT-Betriebs und nicht der eigentlichen Fachprozesse. Projekte zur Einführung einer solchen Anwendung müssen daher oftmals noch mehr als andere Projekte innerhalb eines eng gesteckten Budgets und Zeitrahmens durchgeführt werden. Gleichzeitig sollen aber auch die hochgesteckten Erwartungshaltungen erfüllt werden. Um ein solches Projekt erfolgreich durchzuführen sind aus Sicht von Eurogroup Consulting vor allem zwei Fragestellungen zu adressieren:
- Welche ITSM-Anwendung passt am besten zum eigenen Unternehmen, so dass der Spagat zwischen der Angleichung der gewählten Software mit ihrem jeweils zugrundliegenden Prozessmodell an die bereits etablierten Unternehmensprozesse möglichst gut gelingt?
- Wie kann gewährleistet werden, dass Projekte zur Optimierung der ITSM-Prozesse nicht nur budget- und termingerecht umgesetzt werden, sondern auch eine nachhaltige Wirkung erzielen?
Auswahl der „richtigen“ ITSM-Anwendung
Der Markt für ITSM-Anwendungen ist enorm vielfältig, so dass die Entscheidung für die Implementierung einer Software wohlüberlegt gefällt werden sollte. Schließlich muss die Software für eine lange Zeit die Prozesse des Unternehmens bestmöglich unterstützen.
Eurogroup Consulting hat hierfür ein Bewertungsmodell entwickelt, mit Hilfe dessen anhand von elf Kategorien dem Kundenwunsch nach einer differenzierten Abgrenzung der in Frage kommenden ITSM-Anwendungen nachgekommen werden kann. Anhand dieser Auswahlkriterien können wir mit dem Kunden diejenige Anwendung identifizieren, die die unternehmensindividuellen Anforderungen am besten bedienen kann.
Um bei der Auswahl des geeigneten ITSM-Tools die Anwendung mit dem größtmöglichen Nutzen zu identifizieren, ist eine Einordnung der Leistungsspektren der potenziellen Tools in den unternehmerischen Kontext unerlässlich. Die Toolauswahl muss insbesondere die Frage beantworten, welches Leistungsspektrum in der Zukunft benötigt wird und inwiefern das potenzielle Tool diese zukünftigen Anforderungen abdecken kann. Eurogroup Consulting empfiehlt, hierfür die späteren Nutzer bereits intensiv in die Toolauswahl mit einzubeziehen und gemeinsam mit ihnen Prozesse und zugrundeliegende Modelle wie z.B. die Configuration Management Database (CMDB) parallel zur Auswahl der ITSM-Anwendung zu erarbeiten.
Nachhaltige Implementierung der ausgewählten ITSM-Anwendung
In der zweiten Phase eines Projekts zur Optimierung der ITSM-Prozesse ist die gewählte Anwendung zu implementieren und weitere Details zu konzipieren, bevor die erfolgreiche Übergabe in den Betrieb das Projekt abschließt. Hierbei sind nach unserer Erfahrung drei Fallstricke in der Praxis besonderes häufig zu beobachten.
Fallstrick 1: Konflikt der Partikularinteressen
ITSM-Tools bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Prozesse zu standardisieren, automatisieren und somit Mehrwerte zu generieren. Der Mehrwert bei der ITSM-Einführung wird größtenteils über die Workflow-gesteuerten Prozesse geschaffen. Dadurch wird aber nur ein geringes Mehrwertpotential abgerufen. ITSM-Anwendungen entfalten immer dann ihr vollständiges Potential, wenn Sie auf eine möglichst große Datenbasis zugreifen können. Die notwendigen Daten liegen jedoch meist nicht nur in getrennten Abteilungen, sondern auch in unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Die Implementierung von ITSM-Lösungen kann somit keine Entscheidung eines einzelnen Geschäftsbereichs sein, sondern muss aus der geschäftsbereichsübergreifenden Zusammenarbeit resultieren. Denn erst wenn eine möglichst große Anzahl von Geschäftsbereichen ihre Daten über eine einzige ITSM-Lösung verwalten lassen, trägt jeder Bereich den größtmöglichen Teil zur Mehrwertgenerierung bei und sichert somit die volle Ausschöpfung des Mehrwertpotentials des Gesamtunternehmens.
Die Herausforderung ist es, die bereichsübergreifende Zusammenarbeit und ein gemeinschaftliches Commitment zu einer einzigen ITSM-Lösung sicherzustellen. Dies wird durch die flankierende Einführung einer entsprechenden Governance gewährleistet, die während und auch nach Durchführung des Projekts entsprechende Entscheidungen herbeiführt.
Fallstrick 2: Nachbau des Altbewährten
Falls im Rahmen des Projekts nicht nur ein ITSM-Tool neu eingeführt, sondern eine bestehende Lösung abgelöst werden soll, kann häufig ein weiterer Fallstrick beobachtet werden: der Nachbau des Altsystems und der damit verbundenen Prozesse.
Bei der Anpassung und Individualisierung der ITSM-Tools an unternehmerische Bedürfnisse werden meist die etablierten Arbeitsweisen auf den Prüfstand gestellt. In der Konzeptionierung und Programmierung werden die etablierten Arbeitsweisen zwar oftmals standardisiert, die eigentliche Herausforderung liegt jedoch in der Akzeptanz der Endanwender. Schon in der ersten Testphase zeigt sich meist das Festhalten an alten Strukturen und Arbeitsweisen. Hier trifft die Prozess-Standardisierung mittels ITSM auf die gelebten individuellen Prozesse. Die individuellen Prozesse können durch die Standardisierung des ITSM-Tools nicht abgedeckt werden, so dass sich Einschränkungen für den individuellen Prozess ergeben. Die über Jahrzehnte hinweg eingeschlichenen Ineffizienzen werden vom Anwender als Teil des Systems und nicht als Teil des Problems betrachtet. In der Folge werden so lange Anforderungen durch den Anwender an das neue System gestellt, bis es in seiner Ausgestaltung der des alten Verfahrens gleicht.
Um diesem Problem vorzubeugen und die Akzeptanz der ITSM-Anwendung zu erhöhen, bedarf es der Veränderungsbereitschaft der Nutzer, die in der Unternehmenskultur verankert werden sollte. Zusätzlich sollte in der Projektarbeit ein großer Bestandteil auf Prozess-Trainings in verschiedenen Formaten gelegt werden, z.B. Einbezug in die Testfälle, Live-Demos, klassische Software-Trainings, Bearbeitung von Anwendungsfällen, Handbücher, sowie weitere ausführliche Dokumentationen.
Fallstrick 3: Widersprüchliche Erwartungen
Jeder Anwendungsnutzer hat sicherlich schon einmal schlechte Erfahrungen bei einer Anwendungseinführung erlebt. Diese negative Bestandsaufnahme ist meist auf zwei teils widersprüchliche Welten zurückzuführen: Projektziele des Auftraggebers und Erwartungshaltung der Nutzer sind unterschiedlich. Die Projektziele in der Softwareeinführung liegen meist in der Kostenreduktion durch Standardisierung und der damit verbundenen Erfüllung des zugrundeliegenden Business Cases. Für den Nutzer suggeriert eine ITSM-Einführung meist die Implementierung einer vollumfassenden Anwendung, die ihn bestmöglich bei seinen Tätigkeiten unterstützt.
Hier bildet sich ein Argumentationskreis. Das Unternehmen tätigt Investitionen, um zukünftige Aufwände zu reduzieren und möchte systemseitige Anpassungsaufwände weitgehend vermeiden. Der Nutzer erwartet allerdings eine auf ihn zugeschnittene, vollindividualisierte Software mit mehreren Ausbaustufen. Die Erwartungshaltung des Auftraggebers und der Nutzer an die Software divergiert und kann zu Akzeptanzschwierigkeiten führen.
Für die Projektarbeit bedeutet dies vor allen Dingen schon frühzeitig, d.h. bereits in der Toolauswahl und bei der Konzeptionierung, Transparenz darüber zu schaffen, was die Software leisten kann – und noch viel wichtiger, was sie nicht leisten kann. Für einen erfolgreichen Projektabschluss ist jederzeit die Erwartungshaltung der Nutzer zu steuern.
Fazit: Der Mitarbeiter steht auch bei der Einführung einer ITSM-Anwendung im Fokus
Es bleibt festzuhalten, dass erfolgreiche Projekte zur Optimierung von ITSM-Prozessen durch Einführung einer ITSM-Anwendung sich nicht nur auf Auswahl und Implementierung einer geeigneten technischen Lösung fokussieren, sondern dass sie vor allem die Menschen berücksichtigt, die durch diese Software unterstützt werden sollen.
Deshalb stellen wir bei Eurogroup Consulting getreu unserer Leitmaxime „The Art of Mobilization“ die vom Projekt betroffenen Mitarbeiter in den verschiedenen Bereichen in den Mittelpunkt. Nur mit einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit, breiten Anwendungsakzeptanz und korrekten Nutzung der Anwendung führt ein ITSM-Projekt zum gewünschten Erfolg.