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Mark Wieczorrek

In der digitalen Wirtschaft von heute sind Kundendaten ein unverzichtbares Wirtschaftsgut. Der richtige Umgang mit Kundendaten stellt Unternehmen jedoch vor Herausforderungen. So gilt es regulatorische Anforderungen zu berücksichtigen und technologische Entwicklungen zu adap­tieren. Insbesondere in größeren Organisationen verstärken sich die Herausforderun­gen, da Kundendaten über unterschiedliche Tochterunternehmen oder auch Landesgesellschaften hinweg verwaltet werden müssen. So kann es vorkommen, dass die Erfassung der Namen von Kunden im einen Tochterunternehmen den Vorgaben des Kreditwesengesetzes entsprechen muss und ein zweites Tochterunternehmen diese Vorgaben nicht hat. Dennoch ist es im Interesse des Gesamtunternehmens einen ganzheitlichen Blick auf den Kunden zu haben, etwa um vorhandene Cross-Selling-Potenziale zu identifizieren und zu nutzen oder um Doppelarbeiten bei der Pflege und Nutzung der Kundendaten zu vermeiden.

Zum Umgang und zur Bewältigung dieser Herausforderungen haben Unternehmen meist komplexe Strukturen und Prozesse aufgebaut. Besonders in der stark regulierten Finanzdienst-leistungsbranche ist daher eine klare und effiziente Governance von Kundendaten entscheidend. Effiziente Datenverwaltung und -nutzung bieten nicht nur Vorteile zur besseren Personalisierung von Angeboten und gesteigerter Kundenbindung, sondern können auch zur Kostenreduktion und Innovationsförderung im Unternehmen beitragen.

Wie können Unternehmen durch effektive Governance ihrer Kundendaten langfristig Ihren Geschäftserfolg maximieren? Mit dieser Frage setzen wir uns im Folgenden auseinander, denn der Schlüssel zur Realisierung dieser Potenziale ist die Implementierung einer soliden Kundendaten-Governance.

Zu diesem Zweck wird zunächst geschildert, was die Governance von Kundendaten ist und welche Ziele ein Unternehmen damit verfolgen kann. Darauf folgend werden grundsätzlich denkbare Gestaltungsoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt und durch einen empirischen Blick auf die tatsächlich in der Praxis anzutreffenden Modelle kontrastiert. Aus Theorie und Praxis werden danach strategische Empfehlungen abgeleitet.

Definition und Zielsetzung von Kundendaten-Governance

Kundendaten-Governance umfasst alle Praktiken und Strukturen, die sicherstellen, dass Kundendaten effektiv verwaltet, geschützt und genutzt werden.Eine klare Governance ist unerlässlich, um Datensicherheit zu gewährleisten, Datenqualität sicherzustellen und Daten­innovation zu fördern. Die Orientierung an diesen in Abbildung 1 gezeigten Zielen maximiert den Wert der Datenbestände in Unternehmen und minimiert gleichzeitig Risiken im Zusammenhang mit Datenschutzverletzungen und Datenmissbrauch. Ein solches Vorgehen bildet das Funda­ment für vertrauensvolle Kundenbeziehungen und nachhaltigen Geschäftserfolg.

Ziele der Kundendaten-Governance
Abbildung 1 – Ziele der Kundendaten-Governance

Ohne effektive Governance können verschiedene Kundendaten aus den unterschiedlichen Systemen nicht zu einem konsolidierten Datensatz – dem sogenannten Golden Record – zusammengeführt werden. Die Governance-Organisation klärt, wem welche Daten des Golden Records gehören und wer auf welche Daten zugreifen darf. Im Falle von unterschiedlichen Datenausprägungen zu einem Datensatz klärt die Governance, welche Daten behalten werden und welche nicht. Hierzu werden verschiedene Aspekte abgewogen, wie z.B. Aktualität oder erwartete Qualität der Daten.

Die Governance verfolgt das Ziel einen möglichst vollständigen Golden Record zu bilden. Hier­zu führt sie Daten aus verschiedenen Quellen zusammen, sowohl intern (z.B. Daten verschie­dener Landesgesellschaften oder Geschäftsfelder) als auch extern (z.B. Bonitätsdaten, amtliche Gesellschaftsdaten oder Registerauszüge). Für diese Konsolidierungsleistung führt die Governance, wie in Abbildung 2 illustriert, zentrale Bereinigungs- und Anreicherungspro­zesse durch, um schließlich einen möglichst umfassenden Golden Record zur Verfügung zu stellen.

Insbesondere bei Konzernen mit verschiedenen Geschäftsfeldern oder Landesgesellschaften ist diese Konsolidierungsleistung mit enormer Komplexität verbunden, die eine effektive Governance aufgrund der unterschiedlichen Rechtsräume und Verantwortlichkeiten zwingend erfordert.

Beispielhafter Ablauf zur Bildung des Golden Record
Abbildung 2 – Beispielhafter Ablauf zur Bildung des Golden Record

Bei der Implementierung der Governance zur Realisierung der in obiger Abbildung 1 genannten Ziele sehen sich Unternehmen sowohl mit Herausforderungen als auch Chancen konfrontiert. Einerseits gehören der Umgang mit großen Datenmengen und die Einhaltung strenger Datenschutzbestimmungen zu den größten Herausforderungen. Andererseits eröffnen sich durch eine effiziente Datenverwaltung neue Möglichkeiten zur Prozessoptimierung und Ressourcenplanung.

Modelle von Kundendaten-Governance

Die zentrale Frage, die jedes Unternehmen bei der Implementierung von Kundendaten-Governance beantworten muss, ist die Wahl des geeigneten Governance-Modells. Das Finden des richtigen Modells hängt von vielen Faktoren ab. Die wesentlichen Kriterien hierzu sind die Notwendigkeit spezifischer Marktkenntnisse in einzelnen Gesellschaften oder Bereichen, das Bedürfnis nach Flexibilität und Autonomie, der Wunsch durch die Governance die Entscheidungsfindung im Top-Management zu erleichtern, die zentrale Sicherstellung von übergreifender Compliance und einheitlicher Datensicherheit sowie die Anforderungen an Effizienz und Datenkonsistenz. Diese Faktoren muss jedes Unternehmen individuell für sich bewerten, um das Nutzen­potenzial aus der Kundendaten-Governance passend zur Unternehmensstruktur und dem eigenen Geschäftsmodell zu maximieren.

Das Spannungsfeld ergibt sich, wie in Abbildung 3 dargestellt, zwischen einer eher zentralen und einer weitgehend dezentralen Governance.

Zentralisierungsgrad der Governance-Modelle bei unterschiedlichen Unternehmen
Abbildung 3 – Zentralisierungsgrad der Governance-Modelle bei unterschiedlichen Unternehmen

Jede dieser Governance-Modelle hat ihre eigenen Vor- und Nachteile, und die Wahl hängt von den spezifischen Anforderungen und der Organisationsstruktur des Unternehmens ab.

In einem zentralen Governance-Modell wird die Verantwortung für die Verwaltung, Sicherheit und Nutzung von Kundendaten auf eine zentrale Stelle innerhalb des Unternehmens bzw. Konzerns konzentriert. Diese zentrale Einheit ist für die Entwicklung und Durchsetzung von Richtlinien, Standards und Verfahren verantwortlich, die für das gesamte Unternehmen bzw. den gesamten Konzern gelten.

Bei einem dezentralen Governance-Modell wird die Verantwortung für die Verwaltung und Nutzung von Kundendaten an die einzelnen Geschäftsbereiche oder Gesellschaften delegiert. Jeder Bereich hat die Autonomie, seine eigenen Richtlinien und Prozesse zu entwickeln, die am besten zu seinen spezifischen Anforderungen passen.

In der Praxis setzen sich häufig hybride bzw. gemischte Governance-Modelle durch, die zentrale und dezentrale Ansätze miteinander kombinieren sollen. Sie zielen darauf ab, die Vorteile beider Modelle zu nutzen, indem zentrale Governance-Richtlinien und -Standards festgelegt werden, während gleichzeitig den Geschäftsbereichen eine gewisse Autonomie eingeräumt wird, um ihre spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Varianten ist vielfältig, da Unternehmen hierüber ihre spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse individuell berücksichtigen können. Abbildung 4 illustriert Vor- und Nachteile der verschiedenen Governance-Modelle.

Vor- und Nachteile der verschiedenen Governance-Modelle
Abbildung 4 – Vor- und Nachteile der verschiedenen Governance-Modelle

Ausprägungen und Nutzenpotenziale der Kundendaten-Governance in der Praxis

Die theoretischen Vor- und Nachteile der verschiedenen Governance-Modelle zeigen deutlich das Spannungsfeld auf, innerhalb dessen Unternehmen ihre Governance definieren müssen. Wie sieht dies jedoch in der Praxis aus? Welche Modelle werden eingesetzt mit welchen primären Zielen, und lassen sich hier konkrete Empfehlungen ableiten zur Optimierung?

Antworten hierauf gibt eine Umfrage aus dem November 2023[1], an der 48 Teilnehmer partizi­piert haben, wovon 34 aus der Finanzdienstleistungsbranche und 14 aus weiteren Branchen wie z.B. Maschinenbau oder der Baubranche sind. Diese zeigt branchenübergreifend, dass Governance-Modelle, welche zentrale mit dezentralen Elementen kombinieren, von der überwiegenden Mehrheit der Unternehmen genutzt werden (vgl. Abbildung 5).

Vorherrschende Kundendaten-Governance
Abbildung 5 – Vorherrschende Kundendaten-Governance

Bei der Analyse der Auswirkungen und Herausforderungen, welche die Teilnehmer in der Kundendaten-Governance ihres Unternehmens sehen, zeigt sich deutlicher Verbesserungs­bedarf. So werden wiederkehrend auf die notwendige „intensive Auflösungen von Zielkonflik­ten“ hingewiesen und „fehlende Einheitlichkeit“ sowie „einige Unklarheiten“ bemängelt. Eine Mehrheit spricht die zu hohen Aufwände für Abstimmungen, ausbleibende Datenbereinigungen und die sehr aufwendige Sicherstellung der Einhaltung der Governance an. Vereinzelt wird sogar von „Chaos“ gesprochen.

Die Umfrage zeigt, dass eine nachhaltig erfolgreiche Governance-Implementierung eine klare Zuord­nung von Rollen und Verantwortlichkeiten sowie die konsequente Durchsetzung von Richtlinien und Standards für die Datenverwaltung benötigt. Häufig ist den Mitarbeitenden in der Datenpflege zudem nicht transparent, welch hohe Relevanz die korrekte und vollständige Pflege der Daten auch über die eigene Tätigkeit hinaus hat, was auf eine nicht ausreichende Sensibilisierung in der Datenkultur hindeutet. In der Folge sind die zentralen Einheiten mit hohen Aufwänden für Bereinigungen der Erfassungsfehler der operativen Einheiten belastet.

Bei der Betrachtung des erwarteten Nutzens der Kundendaten-Governance zeigt sich auch klar, dass Effizienz nicht im Fokus steht. Wie in Abbildung 6 zu erkennen ist, wird weitestgehend unabhängig vom Governance-Modell ein ähnlicher Nutzen angestrebt. So machen die Aspekte „Verbesserte Kundenbindung“, „Verbesserte Personalisierung von Angeboten“ und allgemeine „Umsatzsteigerungen“ zwischen 81% im gemischten Modell und 91% im zentralisierten Modell aus. Kostenreduktion macht je nur 5% in zentralisierten und hybriden Modellen aus.

Angestrebter Nutzen je Governance-Struktur
Abbildung 6 – Angestrebter Nutzen je Governance-Struktur

Es zeigt sich also, dass in der Praxis verschiedene Modelle der Governance implementiert wer­den. Es hat jedoch nicht den Anschein, als wären die Implementierungen mehrheitlich anhand der Vor- und Nachteile des jeweiligen Modells entschieden worden, sondern mutmaßlich eher durch die vorherrschenden Gegebenheiten der Organisations- und/oder Gesellschaftsstruktur begründet. Es ist daher davon auszugehen, dass die wenigsten Unternehmen ihren Geschäfts­erfolg gezielt über ihr Governance-Modell maximieren und gezielte, individuelle Schwerpunkte zur Realisierung des größtmöglichen Nutzens setzen.

Bei der Gegenüberstellung der aktuellen, empirisch erhobenen Schwerpunkte der Unter­nehmen und der vorhandenen Potenziale, die bereits gut in der wissenschaftlichen Literatur aufgearbeitet wurden, ergibt sich daher ein enormes Nutzenpotenzial, welches die Unter­nehmen bislang wenig in den Fokus genommen haben. So zeigt das Chancen-Heraus­forderungen-Profil in Abbildung 7, dass die größten Potenziale im Bereich der Skalierbarkeit und der Effizienzsteigerungen liegen, mit denen Unternehmen mit verhältnis­mäßig geringem Aufwand schnell eine positive Wirkung auf ihr Unternehmensergebnis erzielen könnten.

Chancen und Herausforderungen bei der Implementierung von Kundendaten-Governance
Abbildung 7 – Chancen und Herausforderungen bei der Implementierung von Kundendaten-Governance

Die empirische Betrachtung zeigt, dass eine Investition in eine solide Struktur mit klaren Prozessen und Verantwortlichkeiten, die erhöhte Skalierbarkeit und Effizienzsteigerung zum Ziel hat, in wesentlichen Wettbewerbsvorteilen resultieren und den Geschäftserfolg maximie­ren kann. Insbesondere im Bereich der Effizienz und der damit verbundenen Kostenreduktion ergibt sich hier ein deutliches Investitionsdefizit, welches ein überdurchschnittliches Nutzen­potenzial für die Unternehmen beinhaltet. Hieraus leiten sich klare strategische Empfehlungen ab.

Weitere wichtige Aspekte zur Governance-Implementierung

Die effektive Konfiguration eines zum Unternehmen passenden Governance-Modells ist der zentrale Punkt jeder Implementierung. Doch darüber hinaus braucht es noch weitere Aspekte bei der Wahl einer zukunftsgerichteten und nachhaltigen Kundendaten-Governance:

  1. Gezielte Investitionen in Technologie: Moderne Datenmanagement- und Analyse­tools verbessern die Datenqualität und ermöglichen effizientere Analysen. So können mittels gezieltem Einsatz von Technologie Datensätze aus unterschiedlichen Quellen, etwa verschiedener Landesgesellschaften oder Unternehmens­bereichen und aus öffentlichen Daten, einheitlich verarbeitet, veredelt und konsolidiert werden, um somit ein vollständiges und qualitativ hochwertiges Datenset zum Golden Record zu formen.
  2. Förderung einer Datenkultur: Eine Unternehmenskultur, die die Bedeutung von Datenqualität und Datenschutz hervorhebt, ist entscheidend. Ohne gezielte Entwick­lung eines Verständnisses von Mehrwert und Not­wendigkeit korrekter Daten können auch die beste Governance und die modernsten Techno­logien den Wert Ihrer Daten nicht zugänglich machen. Die Förderung dieser Kultur ist daher genauso wichtig wie die Schaffung von Strukturen und die technologischen Investitionen. Zur nachhaltigen Sicherstellung des Erfolgs entsprechender Initiativen darf dieser Aspekt daher in keiner Kundendatenstrategie fehlen.

Zusammen mit dem Governance-Modell sind dies die drei wesentlichen Punkte, welche jedes Unternehmen zur Realisierung eines echten Mehrwerts aus seinen Kundendaten auf seine Agenda setzen sollte. Um die notwendigen Voraussetzungen sicherzustellen, gilt es hierzu das eigene Selbstverständnis hin zu einer Data-Driven Company weiterzuentwickeln.

Fazit

Eine solide Governance ist der Schlüssel zur Maximierung des Geschäftserfolgs durch verbesserte Datenqualität, mehr Effizienz, höhere Datensicherheit und personalisierte Kundenerlebnisse. Unternehmen, die das passende Governance-Modell implementieren, Technologie zielgerichtet einsetzen und eine starke Datenkultur fördern, werden nicht nur wettbewerbsfähiger sein, sondern auch das Vertrauen ihrer Kunden langfristig sichern und stärken. Unternehmen sind daher aufgefordert kontinuierlich ihre Strategien anzupassen, um den sich ändernden Marktbedingungen und regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Gezielte Investitionen in Effizienzsteigerungen stellen hierbei wesentliche Grundlagen dar und sind gut zu realisierende Hebel. In einer Zeit, in der Daten zu einem zentralen Wirtschaftsgut geworden sind, ist die Fähigkeit, diese Daten verantwortungsvoll und effektiv zu nutzen, entscheidend für den nachhaltigen Erfolg.


[1] Wieczorrek, M (2024): Kundendatenstrategien (MBA-Abschlussarbeit); Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Ludwigshafen am Rhein.

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