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Carsten Kuhlmann

Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Finanzdienstleistungsbranche werden moderne Datentechnologien wie Advanced Analytics, maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz oder Big Data verstärkt eingesetzt. Insbesondere ist zu beobachten, dass sich die vermeintlich neuen Player im Wettbewerb wie FinTechs bzw. InsurTechs mit dem Umgang, der Nutzung und dem daraus abgeleiteten Angebot von (Mehrwert-)Services leichter tun, aber vor allem damit erfolgreich sind. Daraus entstehen sehr stark kundenfokussierte, individualisierte, ver­einfachende und nutzenstiftende Angebote für die Kunden. Die klassischen, etablierten Finanzdienstleistungsunternehmen laufen dieser datengetriebenen Kundenfokussierung häufig noch weit hinterher. Daher ist es von elementarer Bedeutung, dass diese Unternehmen nachhaltig Kundenfeedback einholen und diese Daten dazu nutzen, um die Prozesse, Produkte und Dienstleistungen konsequent auf den Kunden auszurichten.

Das alleinige Einholen der Kundenstimme reicht aber natürlich nicht aus, um das Unternehmen kundenfokussiert auszurichten. Hier ist, wie in Abbildung 1 dargestellt, vielmehr ein Zusammenspiel aus Kundenfeedback, Prozessen, Daten/Technik und letztlich einer Mobili­sierung des gesamten Unternehmens erforderlich.

Wesentliche Bestandteile der Kundenfokussierung
Abbildung 1 – Wesentliche Bestandteile der Kundenfokussierung

Die Bedeutung der ersten beiden Aspekte Kundenfeedback und Prozesse ist an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben worden. Daneben spielt die Mobilisierung des gesamten Unternehmens eine entscheidende Rolle für nachhaltigen Erfolg. Ziehen wirklich alle Bereiche in einem Unternehmen an einem Strang oder verfolgt jeder Bereich nur seine eigenen Zielvorgaben, die häufig zu den Zielen anderer Bereiche gegenläufig sind? Eine Mobilisierung des Unternehmens sorgt für eine dauerhafte, bereichsübergreifende Verankerung der Kunden­fokussierung im Unternehmen und sichert so eine zukunftsfähige Ausrichtung auf den Kunden.

In diesem Beitrag wird es nun darum gehen, wie ein Unternehmen die Vielzahl an Informationen und Daten, die aus einer Verknüpfung von Prozess und Kundenstimme hervorgehen, erheben und diese optimal zu Zwecken der Kundenbindung oder vertrieblichen Aktivitäten nutzen kann.

Status Quo der Daten zum Kundenfeedback

Bei der Sammlung dieser Daten aus Kundenstimmen und Prozessen stellt sich stets die Frage, wie diese Daten gespeichert bzw. in Verbindung gebracht werden können. Dabei ist häufig zu beobachten, dass viele Unternehmen ihre Daten zwar sammeln, dann jedoch separiert in einer Art Datensilo verwalten. Dabei spielen häufig auch umfangreiche – wer kennt sie nicht!? – Excel-Tabellen eine große Rolle, die dann sowohl Analyse-, Auswertungs- und Berichtstool gleichzeitig sind. Abbildung 2 illustriert die zahlreichen Datensilos exemplarisch.

Klassische Datensilos mit rein silobezogenen Erkenntnissen
Abbildung 2 – Klassische Datensilos mit rein silobezogenen Erkenntnissen

Hier werden die Daten ausschließlich in den einzelnen Datensilos gesammelt und ausgewertet, so dass nur dort, mit den Daten dieses Datensilos, Erkenntnisse gesammelt werden können. Beispielsweise werden Telefoniedaten wie Anrufzeitpunkt, Rufnummer, annehmende Gegen­stelle, Annahmedauer oder Gesprächslänge bzw. die Sprachaufzeichnungen von Kunden­feedbackgesprächen gesammelt und dafür verwendet, ein reines Telefoniereporting zu erstellen, was dann über Anrufmengen, Anrufdauern oder die SLA-Erfüllung wie Anruf-Volumen, Annahmequoten und Wartezeiten Auskunft geben kann. Einzelgesprächsauf­stellungen können zwar auf Knopfdruck erstellt werden, besitzen jedoch in diesem Silo „Telefonie“ keine Bedeutung. Warum auch? In Summe sieht es ja gut aus, die Annahmequote wurde gehalten und die bekannte 80/20-Regel (80% Annahme in den ersten 20 Sekunden) auch. Ziel erfüllt, Zweck des Reportings erfüllt!

Vorhandene Datensilos behindern den Erkenntnisgewinn

In dieser Auswertungs- und Analyselogik spielt es dann auch keine Rolle, dass ein Kunde vielleicht bereits mehrfach angerufen hat, dabei einige Mal gar nicht durchkam, manchmal im First-Level zwar landete, dann aber häufig an den Second-Level weitergeleitet wurde – insbesondere auffällig oft in den letzten zwei Wochen. Im Übrigen hat der Anrufer auch zweimal an der Befragung zum Net Promoter Score (NPS) im Anschluss an das Telefonat teilgenommen und dem Unternehmen für das jeweils vorhergehende Telefonat zweimal die Bewertung 0 bzw. 2 gegeben. In den Begründungsfragen für den vergebenen NPS-Wert hat er moniert, dass er seine „Bescheinigung“ trotz mehrerer Anrufe und mehrerer E-Mails bzw. Internetformular-Einträge noch immer nicht erhalten habe und er sehr unzufrieden ist. Er überlegt zu kündigen.

Das Unternehmen hat zwar alle diese Daten gesammelt, ist jedoch nicht in der Lage diese Informationen miteinander in Beziehung zu bringen. Der Kunde geht jedoch mittlerweile davon aus, dass die Daten, die er einem Unternehmen zur Verfügung stellt, auch jedem Mitarbeiter jederzeit an jedem Kontaktpunkt zur Verfügung stehen. Diese Erfahrungen von Amazon & Co. überträgt der Kunde selbstverständlich auch auf Finanzdienstleistungsunternehmen. Doch an diesem Punkt besteht häufig noch enormer Handlungsbedarf. Big Data ist selbstverständlich im Bewusstsein vieler Manager angekommen, und es bestehen auch bereits zahlreiche Projekte dazu. Allerdings ist häufig eine veraltete technische Infrastruktur dafür verantwortlich, dass Big Data zwar punktuell oder silohaft eingeführt wird, jedoch eine übergreifende Vernetzung der Daten weiterhin nicht stattfindet.

CX-Software/Technik ermöglicht die Zusammenführung von Daten

Ein erster Ansatzpunkt für eine silo-übergreifende Datenvernetzung kann eine Customer-Experience-Plattform (CX-Plattform) sein. Mit einer CX-Plattform ist ein Unternehmen in der Lage, die Kundenerlebnisse zu beobachten, zu messen, zu bearbeiten und daraus Optimierun­gen abzuleiten. Hier können daher alle Kundenkontakte aus den unterschiedlichen Kontakt­kanälen, alle Kundenfeedbacks und alle NPS-Werte sukzessive zusammengeführt werden, um genau das zu ermöglichen, was ein Telefonreporting (siehe Beispiel oben) nicht leisten konnte: Transparenz über einzelne Kundenbeziehungen bzw. Kundenerfahrungen (Customer Experiences).

Durch die Zusammenführung der Telefoniedaten, der NPS-Werte und Kundenstimmen wird erst erkannt, dass der Kunde mehrmals und z.T. erfolglos angerufen hat. Aus dem NPS-Wert wird deutlich, dass er sehr unzufrieden war mit den geführten Telefonaten, und aus dem Feedback konnte gehört werden, dass er noch immer auf seine Bescheinigungen wartet. Im Übrigen ist er nun akut kündigungsgefährdet. Es liegen also alle Informationen bereits im Unternehmen vor, werden aber nicht genutzt!

Über eine CX-Plattform können nun die Daten aus den unterschiedlichen Silos gesammelt und über Schlüsselkriterien wie Telefonnummern oder Versicherungsnummern miteinander in Beziehung gebracht werden. So entstehen aus mehreren Mosaiksteinchen einzelner Daten­silos ein Gesamtbild eines Kunden bzw. seiner Customer Journey. Es können, wie in Abbildung 3 illustriert, Zusammenhänge erkannt werden, die in der Silostruktur nie hätten identifiziert werden können.

Siloübergreifende Nutzung von Daten  mittels einer CX-Plattform
Abbildung 3 – Siloübergreifende Nutzung von Daten  mittels einer CX-Plattform

Nun gilt es, zweierlei daraus abzuleiten:

  1. Erkenntnisse für den einzelnen Kunden (Customer Insights)
  2. Erkenntnisse für alle Kunden (Customer Outsights)

Für den einzelnen Kunden kann nach Kenntnis des Kundenfeedbacks nun angestoßen werden, dass der Kunde seine Bescheinigung erhält. Hierzu wird, auch automatisiert über ein ent­sprechend KI-gesteuertes Workflow-System, einem Sachbearbeiter diese Aufgabe in seinen Arbeits-Postkorb zugesteuert. Die Bescheinigung wird ausgestellt und dem Kunden zuge­schickt. Idealerweise wird der Kunde nochmals angerufen und gefragt, ob er ggf. noch weitere Wünsche hat, bzw. versichert, dass man ihn gerne von einem Verbleib im Unternehmen über­zeugen möchte.

Im Customer-Outsight geht es darum, aus den Erfahrungen aller Kunden zu lernen. Hier wird überprüft, ob evtl. weitere Kunden das gleiche Problem (hier: fehlende Bescheinigung) hatten und ob der Prozess dafür überprüft und angepasst werden muss. Aus der Vielzahl der Daten auf der CX-Plattform kann nun nach Schlagwörtern, Kontaktkanälen oder Kontaktanlässen gesucht werden, um eine entsprechende Analyse zu beginnen.

Das Unternehmen ist über eine CX-Plattform in der Lage, übergreifende Erkenntnisse aus der Vielzahl seiner Kontaktpunkte zu generieren und sich daraus in Sachen Effizienz, Qualität, Kundenservice aber auch Kundenbindung bzw. Loyalität zu verbessern. Häufig ist es damit zum allerersten Mal überhaupt erst möglich, erhobene und vorhandene Daten miteinander in Verbindung zu bringen.

Ganzheitliche Kundenfokussierung durch weitere Daten­anreicherung

Neben der Verbindung der erhobenen Daten untereinander, ist es natürlich von herausragender Bedeutung, diese erhobenen Daten auch mit bereits in den allgemeinen Systemen bestehenden Daten, z.B. aus Bestands-, Leistungs- oder Inkasso-Anwendungen zu verlinken. So hat das Unternehmen die Möglichkeit, eben nicht nur zu verstehen, dass der obige Kunde auf eine fehlende Bescheinigung wartet, einen schlechten NPS-Wert vergab und bereits einige Kommunikationsversuche hatte, sondern dass es sich um Herrn Max Mustermann aus Saar­brücken handelt, der ein Beitragsvolumen von 1.245 Euro p.a. mit den Produkten Kfz-, Hausrat- und Haftpflichtversicherung ausgibt, bereits zwei regulierte Kaskoschäden hatte und regelmäßig seine Beiträge zahlt.

Selbstverständlich ist dieser Datenschatz beliebig erweiterbar, je nachdem, welche Systeme noch angebunden werden. Natürlich können auch spezifische Analysen von 30- bis 50-jährigen Kunden aus städtischen Gebieten mit einem Kfz-Schaden in den letzten 2 Jahren, die im letzten Monat den Kontaktpunkt „Bestandsabfrage“ durchlaufen haben und dort einen schlechten NPS-Wert hinterlassen haben, getätigt werden.

Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, zielgerichtet die Bewertungen und Feedbacks einzelner Kontaktpunkte detailliert zu untersuchen. Es können z.B. Fragestellungen untersucht werden, welche Personengruppe oder welche Altersgruppe die Treiber für besonders gute oder schlechte Bewertungen an bestimmten Kontaktpunkten sind. Haben diese Personen vielleicht eine ähnliche Customer Journey durchlaufen, so dass daraus ein Grund für eine schlechte Bewertung entstanden sein kann? Sind diese dann ähnlich stornogefährdet wie Max Mustermann?

Das Unternehmen wird durch diese gezielte Analyse in die Lage versetzt, Muster und Profile in den Customer Journeys zu erkennen und damit auch eigene Stärken und Schwächen zu identifizieren. Eine Customer Journey sollte einfach und stringent sein, ohne mehrfach not­wendige Kontakte zu einem Anlass. Aber ist sie das wirklich? In der Theorie hat jedes Unter­nehmen eine Standard-Customer Journey. Ob diese jedoch wirklich eingehalten wird oder ob aufgrund mangelnder Erreichbarkeit, zu langsamer Reaktionsgeschwindigkeiten oder fach­licher Fehler diese Journey eher selten zum Tragen kommt, ist darüber zu identifizieren.

Die Gestaltung der Customer Journey ist daher ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine erfolg­reiche Kundenbeziehung. Mit Hilfe der aufgezeigten Verknüpfung der Daten können wichtige Erkenntnisse aus dem IST in eine SOLL-Customer Journey modelliert werden und die wesent­lichen Kontaktpunkte sowie deren Messgrößen bestimmt und definiert werden. Die kunden­fokussierte Optimierung findet also nicht nur im 1:1 mit dem Kunden und der Ableitung einer spezifischen Verbesserung eines Prozesses statt, sondern bietet vielmehr die Chance, die wesentlichen Customer Journeys zu analysieren und zu optimieren.

Der Kunde wird sich in dem Unternehmen, welches sich derart nachhaltig und permanent um die Befriedigung seiner Kundenbedürfnisse kümmert, wohlfühlen und aufgrund guter Erfahrungen bei weiteren Produktentscheidungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für einen anderen Anbieter entscheiden. Steht ein Freund oder Kollege vor der Entscheidung für einen Anbieter, wird ein zufriedener oder, noch besser, ein begeisterter Kunde gerne seine Erfahrungen teilen und weiterempfehlen. Das Unternehmen freut sich über verstärkte Kundenbindung und steigende Deckungsbeiträge, sowie steigendes Neugeschäft durch intrinsisches Empfehlungsmarketing.

Fazit

Daten, Daten, Daten. Es gibt unzählige Daten in einem Unternehmen, die häufig nur für bestimmte Zwecke genutzt werden. Anstatt diese in einem übergreifenden Kontext zu nutzen, schlummern diese Daten und ihre Potenziale in Datensilos vor sich hin. Ein erfolgreiches CX-Management aktiviert diese Daten und deren Potenziale und vernetzt diese Datensilos. Es sorgt so für eine intelligente bzw. KI-gestützte Verwertung und Nutzung dieser Daten. So können Kundenerlebnisse analysiert und nachhaltig optimiert werden. Diese vernetzte Datengrundlage bildet das notwendige Fundament für einen professionellen und wirklich kundenfokussierten Kundenservice der Zukunft in Realtime.

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