Die Nachhaltigkeitstransformation bekommt durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die damit verpflichtend verbundene Nachhaltigkeitsberichterstattung weiteren Rückenwind. Waren in der Vergangenheit nur große Versicherungen auf Basis der Non Financial Reporting Directive (NFRD) gezwungen zu berichten, werden durch die CSRD in definierten Schritten mehr oder weniger alle Versicherungen verpflichtend einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen. Anwendungsbereiche und Anwendungstiefe sind dabei erheblich erweitert worden. Nachhaltigkeit soll demnach stärker in der Unternehmensführung verankert werden. Im Vorteil sind die Versicherungen, die mit der Nachhaltigkeitstransformation bereits gestartet sind, denn es bleibt nicht viel Zeit für die Umsetzung. Die größten Herausforderungen liegen dabei im Kontext der Datenbereitstellung. Viele der in der CSRD geforderten Daten liegen noch nicht vor und müssen erst noch digital bereitgestellt werden. Nahezu alle Unternehmensbereiche, Prozesse und Managementdisziplinen sind betroffen, daher ist es zwingend notwendig die klassischen Silostrukturen aufzubrechen und über alle Unternehmensbereiche und Sparten zielorientiert zusammenzuarbeiten. Die IT nimmt dabei eine zentrale Rolle im Transformationsprozess ein.
Ausgangslage und strategische Relevanz
Im Rahmen des EU Green Deals ist Klimaneutralität in der Europäischen Union (EU) bis 2050 das erklärte Ziel. Um die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu realisieren, wurden eine Vielzahl von Maßnahmen initiiert. Für Unternehmen spiegelt sich dies in steigenden regulatorischen Anforderungen (EU-Taxonomie, Offenlegungsverordnung (SFRD), CSRD, Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG), …) wider, die insbesondere die Nachhaltigkeitsberichterstattung betreffen.
Ein wichtiger Baustein ist die EU-Richtline für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die am 5. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Diese verfolgt das Ziel, die nichtfinanzielle Berichterstattung stärker mit der Finanzberichterstattung zu verknüpfen und hebt diese damit auf die gleiche Ebene. Sowohl der Umfang der zu berichtenden Nachhaltigkeitsthemen als auch die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen wird mit der Einführung ab 2024 sukzessive steigen. Waren von der NFRD lediglich große Versicherungsunternehmen betroffen, wird der Kreis der Unternehmen insbesondere 2025 stark erweitert. Dies bedeutet, dass nahezu alle Versicherer in Deutschland spätestens für das Geschäftsjahr 2025 offenlegungspflichtig sind.
Mit der CSRD werden gleichzeitig verbindliche europäische Berichtsstandards (ESRS) entwickelt, die den gesetzlichen Rahmen seitens der EU einheitlich definieren. In der Vergangenheit war es den Unternehmen überlassen, die Art der Veröffentlichung frei zu wählen. Zukünftig muss die Veröffentlichung nun zwingend im Lagebericht erfolgen und in einem einheitlichen Digitalformat (iXBRL) so aufbereitet werden, dass diese elektronisch zur Verfügung stehen. Seitens der Regulatorik wird dadurch Transparenz und Vergleichbarkeit sichergestellt.
Aber nicht nur die Regulatorik hat ein hohes Interesse an der Nachhaltigkeit. Der Druck wird durch weitere Stakeholder verstärkt. Dies sind zum einen Kunden und Mitarbeiter sowie Investoren. Kunden knüpfen ihre Kaufentscheidungen immer häufiger an Nachhaltigkeitsaspekte der angebotenen Produkte, und Mitarbeiter legen immer mehr Wert darauf, für ein nachhaltiges Unternehmen zu arbeiten. Gerade im Kontext des ‚War for Talents‘ ein nicht zu unterschätzender Faktor. Darüber hinaus legen Investoren bei Ihren Investitionsentscheidungen zunehmend den Fokus auf die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen. Der Nachhaltigkeitsbericht ist dabei eine zentrale Informationsquelle für Investoren und Analysten, die die Wertschöpfung und Belastbarkeit wirtschaftlicher Aktivitäten anhand finanzieller und nichtfinanzieller Informationen bewerten.
Unternehmen müssen sich daher zwangsweise vermehrt mit Aspekten der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Der Druck wächst, Nachhaltigkeit im Sinne der ESG-Performance nachzuweisen, und damit steigt wie in Abbildung 1 dargestellt die strategische Relevanz des Themas.
Nachhaltigkeit rückt somit als alternativloser Bestandteil in die Unternehmensberichtserstattung. Die Versicherungsunternehmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Bereits 2021 waren zwei Versicherungsunternehmen unter den Top-Ten der nachhaltigsten Unternehmen in Deutschland.
Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich gestalten – von der Strategie bis zur nachhaltigen Umsetzung
Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation kann nicht von heute auf morgen erfolgen, sondern erfordert eine mittel- bis langfristige Betrachtung. Entsprechend ist der Transformationsprozess frühzeitig zu starten. Der Absprungpunkt der Versicherer ist allerdings unterschiedlich, da durch die Neuordnung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zukünftig sehr viel mehr Versicherungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind. Eine der größten Herausforderungen ist die Bereitstellung der notwendigen Daten in der geforderten Quantität und Qualität. Unternehmen, die sich noch am Beginn der Nachhaltigkeitstransformation befinden und dementsprechend Lücken in der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Prozessen und der Datenbereitstellung aufweisen, müssen verstärkt handeln. Eine frühzeitige Analyse der künftigen Berichterstattungspflichten ist daher unerlässlich. Die geforderten qualitativen und quantitativen Datenpunkte sind umfangreich.
Für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation sind im Kern zwei Aspekte wesentlich. Dies ist zum einen die Definition einer Nachhaltigkeitsstrategie (Richtung) und zum anderen die Verankerung der Strategie über die Schaffung der organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen mittels eines geeigneten ESG-Betriebsmodells (Kraft).
Nachhaltigkeitsstrategie – Ausgangspunkt für alle Aktivitäten
Nach der CSRD wird erwartet, das jeweilige Geschäftsmodell und die Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen klimaneutralen Wirtschaft in Einklang zu bringen. Alle Bemühungen müssen einem übergeordneten strategischen Nachhaltigkeitsziel folgen, sonst sind diese Bemühungen nicht glaubwürdig. Dementsprechend müssen auch mögliche Chancen und Risiken, die sich aus der strategischen Verankerung von Nachhaltigkeit und dem Geschäftsmodell ergeben, diskutiert werden.
Ein wichtiger Kern in der Strategiearbeit ist das eigene Verständnis über die Positionierung und das sich daraus ableitende Ambitionsniveau. Soll schnelle Compliance, strategische Nachhaltigkeitsinnovation oder langfristiges und kontinuierlich verbessertes Nachhaltigkeitsmanagement im Vordergrund stehen?
Die Nachhaltigkeitsstrategie ist die Grundlage für sämtliche Nachhaltigkeitsaktivitäten und gibt die notwendige Orientierung für die erfolgreiche Umsetzung im Rahmen des zu etablierenden ESG-Betriebsmodells. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die möglichen Optionen, die ein Unternehmen bei der Positionsfindung hat.
Die Positionierung ist Grundlage für die Ableitung von Nachhaltigkeitszielen und ermöglicht im Abgleich mit dem ESG-Status Quo die Identifikation der internen und externen Nachhaltigkeitsherausforderungen des Unternehmens. Dabei gilt es, das eigene Geschäftsmodell auf die Kompatibilität mit den ESG-Anforderungen zu untersuchen, um die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen angemessen steuern zu können. Ausgehend von den individuellen ESG-Schwerpunkten sollte das Potential sowie der Datenbedarf analysiert werden. Wenn Klarheit über Defizite sowie Potentiale besteht und das Zielbild definiert ist, sind entsprechende Maßnahmen abzuleiten und mittel- bis langfristig umzusetzen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die operative Umsetzung erfolgt in der Verantwortung eines zu etablierenden ESG-Betriebsmodells in enger Zusammenarbeit mit dem Projektportfoliomanagement.
ESG-Betriebsmodell – Schaffung der notwendigen Strukturen
Ziel des ESG-Betriebsmodells ist es, Nachhaltigkeit als Daueraufgabe in der Organisation zu verankern und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dazu sind neben den organisatorischen auch die technischen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Organisatorische Rahmenbedingungen
Eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie ist die organisatorische Verankerung im Rahmen eines ESG-Betriebsmodells. Es beinhaltet klassisch die Definition von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) und etabliert darüber hinaus eine Governance- und Entscheidungsstruktur auf allen Ebenen der Organisation, um die Operationalisierung der Nachhaltigkeitsstrategie zu gewährleisten. Am Ende des Tages muss das ESG-Betriebsmodell sicherstellen, dass die ESG-Berichterstattung erfolgt und dass zu jedem Zeitpunkt Transparenz über den Status Quo der Zielerreichung im Kontext der definierten Nachhaltigkeitsziele herrscht.
Die konkrete Ausgestaltung der Organisation hängt vom jeweiligen Reifegrad der Organisation und dem definierten Ambitionsniveau ab. Es sind die klassischen Fragestellungen zur Ausgestaltung zu beantworten, um Strukturen zu schaffen, die Nachhaltigkeit als Daueraufgabe in der Organisation verankert. Dabei sind Entscheidungen zu treffen, die eine zentrale oder dezentrale Verantwortung oder ein Mischmodell daraus etabliert sowie die Verantwortung im Fachbereich verankert und die Einbindung und Rolle der IT definiert. Ebenso sind Fragen nach dem Aufbau oder der Integration in die Gremienlandschaft, den jeweiligen Kompetenzen und den notwendigen Kapazitäten zu beantworten.
Nahezu alle Bereiche eines Versicherungsunternehmens sind von der Berichterstattung betroffen und müssen Handlungsfelder in der operativen Umsetzung adressieren. Dies betrifft die Kernfunktionen einer Versicherung wie Produktmanagement und Vertrieb, Underwriting, Risikomanagement, Schadenmanagement und Kapitalanlagemanagement genauso wie die Unterstützungsfunktionen Unternehmenssteuerung, Personal, Marketing und Kommunikation, Informationstechnologie, Governance und Compliance sowie Reporting. Es ist daher zwingend notwendig, die klassischen Silostrukturen aufzubrechen und über alle Unternehmensbereiche und Sparten hinweg, zielorientiert zusammenzuarbeiten.
Die gegebene organisatorische Breite lässt die Verankerung einer zentralen strategischen Verantwortung für das Thema ESG beim CEO sinnvoll erscheinen. Da aber durch die CSRD die finanzielle und nichtfinanzielle Berichterstattung auf eine Ebene gehoben wird, liegt es nahe, die operative Verantwortung im ESG-Betriebsmodell beim CFO zu verankern, da dieser bereits über viel Erfahrung im Rahmen der finanziellen Berichterstattung verfügt.
Technische Rahmenbedingungen und die Rolle der IT
Für die Nachhaltigkeitsberichterstattung werden Daten aus allen Bereichen der Organisation benötigt. Ein Kernproblem ist, dass viele der in der CSRD geforderten Daten häufig nicht in der notwendigen Qualität und Quantität zur Verfügung stehen und erst noch digital bereitzustellen sind. Es ist eher die Regel, dass Daten aufwändig über komplexe Datenerfassungsprozesse erhoben oder sogar geschätzt werden müssen. Grundsätzlich sind Daten aus den unterschiedlichsten IT-Systemen und Datenbanken miteinander zu verknüpfen. Die Systeme sind in der Regel aber über Jahre gewachsen und für einen konkreten Verwendungszweck konzipiert und implementiert worden. Nachhaltigkeitsaspekte spielten dabei keine große Rolle. Diese Datensilos sowie die fehlenden Referenz- und Metadaten, die für die Bestimmung der Kenngrößen notwendig sind, erschweren die automatisierte Bereitstellung der Daten.
Eine zentrale Herausforderung für die IT im Rahmen der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie stellt daher die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die bestehende IT-Architektur dar. Die Schaffung der technischen und prozessualen Voraussetzung für die Integration der notwendigen Daten in das existierende Umfeld ist dabei eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.
Technisch gesehen gibt es mehrere Möglichkeiten zur digitalen Datenbereitstellung, die nicht notwendigerweise disjunkt zu betrachten sind:
- Einführung von spezifischen, kleineren Nachhaltigkeitslösungen zur kurzfristigen Prozessunterstützung
- Integration von Nachhaltigkeitsinformationen in existierende (ERP-)Systeme, um langfristig eine integrierte Berichterstattung finanzieller und nicht-finanzieller Inhalte ermöglichen zu können
- Zentrale Datenbank als Datenquelle für die Berichterstattung in Verbindung mit Analytik-Tools
Unabhängig vom gewählten Lösungsansatz ist zwingend eine ESG-Daten-Governance zu etablieren sowie entsprechende Prozesse für die regelmäßige Datenerhebung und -konsolidierung einzuführen. Da die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine Daueraufgabe ist, ist der Automatisierungsgrad der Datenerhebung und -aufbereitung kontinuierlich zu steigern.
Der IT kommt als digitaler Enabler der Unternehmensprozesse eine zentrale Rolle im Gesamtprozess der Nachhaltigkeitstransformation zu. Es geht dabei nicht nur um Daten, sondern auch darum, wie die IT einen Beitrag für effiziente Erreichung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele leisten kann. Für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist grundsätzlich das Zusammenspiel aus Daten, Prozessen, Systemen und menschlichen Akteuren (Verantwortlichkeiten im Prozess) seitens der IT so zu gestalten, dass die relevanten Informationen in der notwendigen Qualität bereitgestellt werden können. Die IT hat dabei die wichtige Aufgabe alle Aspekte dieses Prozesses transparent und effizient abzubilden. Dabei ist die IT nicht nur Enabler, sondern muss auch selbst ihre Hausaufgaben machen (Stichwort ‚Green-IT‘) und einen Beitrag im Sinne der Nachhaltigkeit leisten.
Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Thema ESG-Reporting weiter an Bedeutung gewinnen und auch kleinere Unternehmen und Finanzdienstleister aus allen Branchen betreffen wird. Es ist daher wesentlich, sich frühzeitig mit den dargestellten Aspekten zu befassen. Dabei ist es wichtig, die Datenarchitektur nicht zu starr auf einzelne Standards oder Frameworks auszurichten, sondern erweiterbar und offen für die Integration interner und externer Daten zu halten. Das ESG-Umfeld ist hochdynamisch und entwickelt sich stetig weiter.