In dieser Ausgabe von „Zur Sache!“ geht es um die Beantwortung der Frage, was das neue EU-Geldwäschepaket für Finanzdienstleister bedeutet und welche Maßnahmen nun zu ergreifen sind. Dazu spricht Simon Wilmerding mit Dr. Claus Beckenhaub, Managing Partner und Experte für Regulierungsmanagement bei Eurogroup Consulting (EGC), und Dr. Carsten Lösing, Rechtsexperte für Finanzaufsichtsrecht bei Schilling, Zutt & Anschütz (SZA).
Lieber Claus, lieber Carsten herzlich willkommen bei „Zur Sache!“. Schön, Euch heute zum Thema EU-Geldwäschepaket begrüßen zu dürfen.
Claus, welche Bedeutung hat das Thema Geldwäschebekämpfung für Finanzdienstleister?
Claus: Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zählt zu den zentralen Sorgfaltspflichten für Finanzdienstleister. Nach Terroranschlägen wie jene auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo haben europäische Regulierungsbehörden die Anforderungen durch die 4. Geldwäscherichtlinie 2015 und nachfolgende Maßnahmen kontinuierlich verschärft. Banken trifft dies aufgrund des Produktangebots deutlich stärker als Versicherer. Die Bedeutung des Themas ergibt sich aus drei wesentlichen Punkten:
- Kundenbezug: Die Sorgfaltspflichten erfordern u.a. die Beschaffung von Unterlagen zur Identifikation und Verifikation, die oft nur direkt vom Kunden erhältlich sind.
- Aufwand: Die zum Teil intensiven Prüfprozesse können zu einem signifikanten Ressourcenbedarf führen.
- Haftung: Bei Verstößen drohen nicht nur Reputationsschäden, sondern auch empfindliche Bußgelder und persönliche Konsequenzen für Vorstände, Geldwäschebeauftragte und weitere verantwortliche Personen.
Danke, Claus. Carsten, könntest du aus rechtlicher Perspektive für unsere Leser erläutern, was genau hinter dem viel diskutierten EU-Geldwäschepaket steckt?
Carsten: Das neue EU-Geldwäschepaket bringt eine europaweite Vereinheitlichung bei der Geldwäschebekämpfung. Im Kern geht es darum, Geldflüsse aus illegalen Quellen oder zur Finanzierung von Terrorismus besser zu erkennen und zu stoppen. Wenn ich das einmal aufschlüssele: Zunächst kommt mit der AML-Verordnung ein einheitliches Regelwerk, das ab Juli 2027 direkt in allen EU-Ländern gilt. Dann stärkt die AML-Richtlinie die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und Meldestellen – auch diese greift ab Juli 2027 nach Umsetzung in die jeweiligen nationalen Gesetze. Ein echter „Gamechanger“ ist die neue Anti Money Laundering Authority, kurz AMLA, die bereits in Frankfurt angesiedelt ist. Diese EU-Behörde konkretisiert ab Mitte 2025 das Regelwerk, überwacht dessen Umsetzung über nationale Aufsichtsbehörden und auch direkt. Und nicht zu vergessen: Die Geldtransfer-Verordnung, die bereits seit Ende 2024 gilt und sicherstellt, dass wir Geldströme und auch virtuelle Vermögenswerte besser nachverfolgen können.
Das sind eine Menge neuer Vorschriften. Was bedeutet das denn nun ganz konkret für die Praxis?
Carsten: Wir erleben hier einen grundlegenden Systemwechsel – vom nationalen zum supra-/internationalen Rechtssystem in der Geldwäschebekämpfung. Die großen Linien bleiben zwar erkennbar: Wir haben weiterhin risikobasierte Kundensorgfaltspflichten bei Neuaufnahmen und laufende Überwachungsmaßnahmen wie Transaktionsmonitoring. Aber in der praktischen Umsetzung muss wirklich jeder Stein einmal umgedreht werden, um die Änderungen im Detail zu erkennen.
„Zahlreiche Oberbürgermeister werden plötzlich zu Hochrisikokunden – mit allen verschärften Sorgfaltspflichten, die nicht nur für sie selbst, sondern für ihre gesamte Familie gelten.“

Das lässt sich gut an einem Beispiel verdeutlichen: Die Definition von Politisch Exponierten Personen, kurz PEPs. Nach unserem bisherigen deutschen Geldwäschegesetz sind das Personen mit hochrangigen Ämtern auf internationaler, europäischer oder nationaler Ebene. Die neue AML-Verordnung erweitert diesen Kreis deutlich: Künftig gelten auch Leiter lokaler Gebietskörperschaften mit mindestens 50.000 Einwohnern als PEPs. Das bedeutet, zahlreiche Oberbürgermeister werden plötzlich zu Hochrisikokunden – mit allen verschärften Sorgfaltspflichten, die nicht nur für sie selbst, sondern für ihre gesamte Familie gelten. Je nach finaler Auslegung durch die AMLA zu Artikel 2(2) der AML-Verordnung, der Funktionsträger mittleren oder niedrigeren Ranges ausnimmt, könnte sich die Zahl der PEPs erheblich erhöhen, einschließlich einer Vielzahl von Änderungen des Status wegen lokaler Wahlen. Und das ist nur ein Aspekt – zusätzlich werden beispielsweise auch Finanzsanktionen in den neuen Regelkreis integriert und müssen in die Risikobewertung einfließen. Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind also umfassend, was die praktische Umsetzung umso herausfordernder macht. Claus, wenn du die prioritären Maßnahmen für Finanzdienstleister eingrenzen müsstest – welche wären das?
Claus: Das A und O ist, zeitnah die Auswirkungen der neuen Vorgaben für das eigene Unternehmen zu verstehen. Zeitnah deshalb, weil wir Handlungsspielraum für Kundenmaßnahmen und eine effiziente Neuaufstellung brauchen. Auch wenn die Vorschriften erst ab Juli 2027 greifen und die AMLA ihre Implementierungsrichtlinien bis Mitte 2026/2027 et seq. vorlegen wird – diese Umstellungen brauchen Vorlauf, wenn man Kunden und Organisation nicht unter unnötigen Druck setzen möchte. Konkret empfehlen wir einen Drei-Phasen-Ansatz:
1. Zunächst müssen wir die regulatorischen Neuerungen und deren Auswirkungen auf Prozesse, IT und Daten analysieren – klassisch als „Auswirkungs- bzw. GAP-Analyse“. Das verschafft dem Unternehmen zwei entscheidende Vorteile: Es kann seine eigenen, sachgerechten Interessen zielgerichtet bei der AMLA positionieren und gleichzeitig Vorkehrungen für notwendige Anpassungen treffen, besonders bei Kundendatenaktualisierungen und Prozessoptimierungen. Übrigens ein guter Zeitpunkt, um gleich aktuelle Prüfungsfeststellungen zur Geldwäscheprävention und Terrorismusbekämpfung in diese Planung zu integrieren.
2. Auf Basis dieser Analyse entwickeln wir dann themenübergreifende Zielbilder für Prozesse, IT und Daten. Wichtig dabei: Wir dürfen Themen wie den Informationsaustausch zwischen Verpflichteten, die Erweiterung des Verpflichtetenkreises oder Auslagerungsmöglichkeiten nicht isoliert betrachten – sie müssen zusammengedacht werden. Der neue rechtliche Rahmen bietet hier Chancen für Effizienzgewinne, etwa wenn der verbesserte Informationsaustausch mit Auslagerungsoptionen kombiniert wird.

„Diese Umstellungen brauchen erheblichen Vorlauf, wenn man Kunden und Organisation nicht unter unnötigen Druck setzen möchte.“
3. In der Umsetzungsphase müssen dann die Rahmenbedingungen und technischen Voraussetzungen erarbeitet werden. Dabei spielen Partner und Dienstleister eine Schlüsselrolle. Am Ende stehen konkrete Hilfestellungen wie Schulungskonzepte, angepasste Prozesse und praktische Leitfäden, damit die neuen Anforderungen nicht nur formal erfüllt, sondern auch operativ gelebt werden können.
Danke für diese Einblicke, Claus. Zum Abschluss unseres Interviews eine Frage an euch beide: Welchen konkreten Rat würdet ihr Finanzdienstleistern mit auf den Weg geben, die sich jetzt mit dem EU-Geldwäschepaket auseinandersetzen müssen?
Carsten: Aus rechtlicher Sicht kann ich nur betonen: Warten Sie nicht ab! Bereiten Sie sich frühzeitig auf die anstehenden Änderungen vor. Die materiell erforderlichen Anpassungen benötigen Zeit und sollten rechtzeitig angegangen werden. Gerade bei größeren Häusern kann die Vorlaufzeit erheblich sein.
Claus: Dem schließe ich mich an und möchte noch einen Aspekt ergänzen: Beginnen Sie jetzt damit, Kontakte zu neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AMLA in Frankfurt aufzubauen. Diese Vernetzung ist für alle Beteiligten wertvoll, um den Systemwechsel vom nationalen zum internationalen Regelwerk besser zu verstehen und sachgerecht mitzugestalten. Carsten und ich haben hier bereits einige Fortschritte gemacht und stehen gerne für einen Austausch zur Verfügung.
Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch und eure wertvollen Einblicke zur Navigation durch die regulatorische Landschaft!