In dieser Ausgabe von „Zur Sache!“ berichten wir von den Erfahrungen eines wegweisenden IT-Migrationsprojekts, das über 2,5 Jahre erfolgreich für eine bedeutende österreichische Bank umgesetzt wurde. Simon Wilmerding spricht mit den EGC-Migrations-Experten Yvonne Blüthmann und Norman Weisser über Herausforderungen, Erfolge und wichtige Erkenntnisse.
Herzlich willkommen, Yvonne und Norman. Ihr habt kürzlich ein herausforderndes Migrationsprojekt erfolgreich abgeschlossen. Könnt ihr uns einen Überblick darüber geben, was das Ziel des Projekts war?
Norman: Das Ziel war die vollständige Migration der IT-Infrastruktur in eine neue Softwarelandschaft. Damit sollte eine einheitliche Software-Umgebung geschaffen und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Genossenschaftsgruppe als unabhängige Organisation gesichert werden.
Was waren die zentralen Erfolgsfaktoren am Anfang des Projekts?
Norman: Ein wichtiger Erfolgsfaktor war, dass wir frühzeitig mit allen Geschäftsleitern, Stakeholdern und dem Dienstleister den Business Case überprüft und validiert haben. So konnten wir die richtigen Weichen stellen und das Projekt fokussiert starten. Auch die Entscheidung, zusätzliche Änderungen oder Weiterentwicklungen während der Migration einzuschränken, war entscheidend. Das half uns, die Migration ohne Verzögerungen durchzuführen. Wir haben uns von Anfang an auf ein klares Zielbild geeinigt und konnten dadurch die Zahl der Change Requests auf nur 25 minimieren.
Das bedeutet, der geplante Cutover-Termin konnte eingehalten werden?
Yvonne: Ja, das Migrationsdatum wurde wie geplant gehalten. Viele Faktoren trugen dazu bei, aber entscheidend waren die wenigen Change Requests und aus meiner Sicht auch die enge Zusammenarbeit zwischen den Fachexperten und den Fachabteilungen. Darüber hinaus war das schnelle Aufsetzen der Testumgebungen gleich zu Beginn des Projekts ein entscheidender Faktor. So konnten wir bereits über ein Jahr vor dem Cutover den ersten Test durchführen.
„Entscheidend waren die wenigen Change Requests und aus meiner Sicht auch die enge Zusammenarbeit zwischen den Fachexperten und den Fachabteilungen.“

Was waren die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Testmanagement?
Yvonne: Große Testphasen erfordern in der Regel mehrere Testumgebungen und machen etwa ein Drittel des Gesamtbudgets aus. Die Erstellung und Pflege von Testfällen ist aufwendig. Wir haben diese anhand der Geschäftsprozesse entwickelt und alle Fachbereiche eingebunden. Damit einher geht die Festlegung klarer End-to-End-Zuständigkeiten für die Testfallketten, deren Definition im Projekt nicht immer ganz einfach war. Ein benutzerfreundliches Tool wie JIRA war dabei unerlässlich. Damit konnten wir die mehr als 5.000 Testfälle verwalten und sicherstellen, dass die Testfälle präzise den sechs Testphasen zugeordnet wurden.
Norman: Hilfreich war auch, dass wir ein Jahr vor dem Ende des Programms die Projektorganisation angepasst haben, um die Zusammenarbeit zwischen operativen, dispositiven Systemen und den Gesamttests zu verbessern. Dies hat die Kommunikation an den Schnittstellen deutlich optimiert.
Gab es Bereiche, in denen ihr etwas anders oder besser hättet machen können?
Norman: Obwohl wir die Stakeholder früh eingebunden haben, hätten wir dem Thema Vernetzung mehr Aufmerksamkeit schenken können. Zum Beispiel hätten wir die „Fachlichen Clusterverantwortlichen“ früher nominiert, um diese stärker zu integrieren. Zudem hätten wir die Verzahnung von Schulung und Testaktivitäten früher vorantreiben können, um Überschneidungen effizient zu lösen.
Welche Empfehlungen möchtet ihr Banken geben, die vor einer ähnlichen Migration stehen?
Yvonne: Ein häufig unterschätztes Thema ist die Datenqualität. Fehler im Altsystem sollten nicht einfach ins neue System übertragen werden. Eine rechtzeitige Analyse und Bereinigung der Daten ist entscheidend, um Verzögerungen oder sogar das Scheitern der Migration zu vermeiden. In unserem Projekt haben wir die Datenqualität durch eine spielerische „DQ-Meisterschaft“ motivierend verbessert und so konnten alle migrationsverhindernden Fehler zum Cutover beseitigt werden.
Jeder, der schon einmal eine Testphase begleitet hat, kann wohl nachvollziehen, welcher Druck am Ende entstehen kann, wenn kurz vor Go-Live noch produktionsverhindernde Defects offen sind.
Norman: Absolut. Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die frühzeitige Schulung der Mitarbeiter. Neue Systeme müssen von Anfang an begleitet werden, um den Mitarbeitern die neuen Arbeitsabläufe nahezubringen. In unserem Projekt haben wir ein umfangreiches Schulungskonzept mit Videos, Präsenzschulungen und Mastertrainern entwickelt. Dadurch konnte die Schulung effizient und dezentral durchgeführt werden.

„Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die frühzeitige Schulung der Mitarbeiter. Neue Systeme müssen von Anfang an begleitet werden.“
Yvonne: Es war entscheidend, die Schulung nicht erst am Ende, sondern als integralen Bestandteil des gesamten Projekts zu sehen. Bereits ein dreiviertel Jahr vor dem Cutover haben wir mit der Schulungsvorbereitung begonnen und einen eigenen Schulungsort eingerichtet.
Das klingt nach einem sehr umfassenden Ansatz, der sowohl technische als auch menschliche Aspekte der Migration berücksichtigt. Ihr habt gezeigt, wie wichtig es ist, sowohl die Infrastruktur als auch die Mitarbeiter frühzeitig in den Prozess einzubinden.
Vielen Dank, Yvonne und Norman, für die wertvollen Einblicke und Empfehlungen.