In diesem Beitrag sprechen wir per Teams länder- und zeitzonenübergreifend über konkrete Lösungsansätze für die Regionalbankenstrategie von kleineren Banken in Österreich, die kurz vor der 1-Milliarde-Bilanzschwelle stehen. Dazu spricht Simon Wilmerding mit unseren Experten Tanja Losse und Hermann Sgardelli.
Willkommen bei „Zur Sache!“, Tanja und Hermann.
Der österreichische Bankenmarkt wächst seit Jahren stark. Trotz dieser positiven Entwicklung habt Ihr die Erfahrung gemacht, dass insbesondere kleinere Banken, die aktuell noch unter der 1-Milliarde-Bilanzschwelle stehen, fundamentalen Herausforderungen gegenüberstehen, die frühzeitig adressiert werden sollten. Was ist so besonders an der aktuellen Marktsituation?
Hermann: Die Bilanzsummen österreichischer Banken haben in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Das liegt vor allem an mehreren Faktoren: Zum einen haben niedrige Zinsen und expansive Geldpolitik die Kreditvergabe gefördert, wodurch mehr Vermögenswerte auf die Bilanzen der Banken gewandert sind.
Zum anderen spielt das in den letzten Jahren stark angestiegene Immobiliengeschäft und die hohe Nachfrage nach Finanzierungen im Unternehmenssektor eine Rolle. Hinzu kommen regulatorische Anforderungen, die dazu führen, dass Banken vermehrt Kapital vorhalten müssen, was sich ebenfalls in der Bilanzsumme widerspiegelt.
Kleinere Banken nähern sich also der 1-Milliarde-Bilanzschwelle wesentlich schneller als noch vor einigen Jahren. Wieso ist dieser Meilenstein so entscheidend?
Hermann: Mit der Überschreitung der 1-Milliarde-Schwelle betreten österreichische Banken eine neue regulatorische und operative Liga. Zwar gibt es, abgesehen von der Entsendung eines Staatskommissars, keine expliziten regulatorischen Anforderungen, die direkt an diese Schwelle gebunden sind. Dennoch ist dies ein entscheidender Spurwechsel: Hier weht ein anderer Fahrtwind, auf den sich die Banken strategisch einstellen müssen.
Welche Herausforderungen gehen mit dem Wachstum der Banken einher, Eurer Erfahrung nach?
Hermann: Zunächst einmal verändert sich die Wettbewerbslandschaft, auf der sich die Banken bewegen, grundlegend. Digitale Plattformen und FinTech-Unternehmen drängen in den Markt und bieten innovative, oft günstigere, spezialisierte Dienstleistungen an. Diese Entwicklung fordert traditionelle Banken heraus, sich stärker zu diversifizieren und in digitale Lösungen zu investieren. Gleichzeitig ist der Druck internationaler Player zu spüren, die in Österreich expandieren und die Marktanteile neu verteilen wollen. Das bedeutet, dass die österreichischen Banken nicht nur ihre Effizienz steigern, sondern auch ihr Service- und Produktangebot kontinuierlich weiterentwickeln müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Zusätzlich nehmen wir wahr, dass auch die regulatorische Aufmerksamkeit der Aufsicht steigt. Die Behörden legen zunehmend Wert auf die Einhaltung strenger Vorschriften, insbesondere in den Bereichen Compliance, Geldwäsche, ESG, Risiko- und Kapitalmanagement. Das führt zu zusätzlichen Anforderungen an die Banken und verstärkt den Druck, sich nicht nur strategisch, sondern auch operativ optimal aufzustellen.
„Die internen Strukturen und Prozesse müssen modernisiert werden, um den Job wieder spannend und zeitgemäß zu gestalten.“
Tanja: Eine weitere Herausforderung ist der aktuelle Fachkräftemangel. Aus meiner Sicht machen es sich viele Unternehmen in diesem Zusammenhang jedoch zu einfach. Ein Job in einer Bank ist für viele nicht mehr attraktiv. Ich erinnere mich noch, als ich vor etwa zehn Jahren meine Matura abgeschlossen habe – eine Ausbildung im Bankwesen galt als das Nonplusultra. Heute hat die Finanzbranche jedoch nicht mehr den gleichen Stellenwert, vor allem nicht bei jungen Talenten. Deshalb haben kleinere, regionale Banken zunehmend Schwierigkeiten, gutes Personal zu finden. Die Lösung ist dabei jedoch nicht nur im Recruiting zu finden. Die internen Strukturen und Prozesse müssen modernisiert werden, um den Job wieder spannend und zeitgemäß zu gestalten. Nur so können talentierte Menschen angezogen und gehalten werden.
Hermann: Genau. Und das lässt sich auf beinahe alle Unternehmensbereiche übertragen. Bestehende Governance-Frameworks reichen oft nicht mehr aus. Rollen, Aufgaben und Prozesse müssen an die gestiegene Komplexität und Regulatorik angepasst werden, um effizient und regelkonform zu bleiben. Die Banken benötigen ganzheitlich eine höhere strategische Reife, insbesondere wenn sie durch ihr Wachstum in neue Marktgefilde eintreten.
Ein düsterer Ausblick.
Tanja: Verständlicherweise wirkt dieses Szenario im ersten Moment überfordernd. Die 1-Milliarde-Bilanzschwelle steht aus unserer Sicht jedoch auch für viel Potenzial. Wie wir mit unseren Kunden gemeinsam festgestellt haben, öffnet sich auch die Tür für eine tiefgreifende Neuausrichtung der Organisation. Mit dem Wachstum stellt sich die Chance ein, die strategische Ausrichtung zu überdenken und sicherzustellen, dass sie mit den wachsenden Anforderungen des Marktes und der Kunden übereinstimmt.
Statt im Angesicht der Herausforderungen zu resignieren, können Banken die 1-Milliarde-Schwelle also nutzen, um ihre Marktposition zu stärken und gezielt in Zukunftsfelder zu investieren, damit sie eine gesunde Ausgangslage für das weitere Wachstum haben. Welche Schritte sollten Verantwortliche hierfür einleiten?
Tanja: Je länger sie warten, desto schwieriger wird es. Banken sollten daher rechtzeitig ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen. Nicht jede Bank ist gleich – es gilt, individuelle Schwachstellen zu identifizieren und Handlungsfelder aufzuzeigen. Wo gibt es noch ungenutztes Potenzial? Wo kann das Geschäftsmodell robuster aufgestellt werden? Diese Fragen stellen sich bei der Betrachtung der wesentlichen Ertragssäulen einer Bank.
„Im Rahmen unseres Geschäftsmodell-Checks analysieren wir die aktuelle Situation der Bank und schaffen Transparenz über bestehende Schwachstellen sowie ungenutzte Potenziale.“
Hermann: Um erfolgreich in diesem herausfordernden Umfeld zu agieren, ist es entscheidend, strategische Leitlinien zu definieren, die langfristige Ziele mit operativen Maßnahmen verbinden. Diese Ausrichtung muss klar und transparent sein und alle Abteilungen sowie Führungsebenen der Bank einbeziehen. Daher bieten wir einen Geschäftsmodell-Check an, um sicherzustellen, dass die Bank auf dem richtigen Kurs bleibt bzw. kommt.
Im Rahmen unseres Geschäftsmodell-Checks analysieren wir die aktuelle Situation der Bank und schaffen Transparenz über bestehende Schwachstellen sowie ungenutzte Potenziale. Dabei betrachten wir alle relevanten Themenfelder – von den Kunden und Leistungen über Prozesse und Risikomanagement bis hin zur Personalstrategie. Darüber hinaus prüfen wir systematisch alle Ertragssäulen, vom Privatkunden- bis zum Beyond Banking-Geschäft, um ein umfassendes Bild zu erhalten.
Tanja: Ganz wichtig ist hierbei die Einbindung der Mitarbeitenden, um Akzeptanz und Engagement zu fördern. Das hilft dabei, größere Veränderungen als Team erfolgreich umzusetzen. Ich vergleiche die Strategiearbeit deshalb gerne mit einer Hausrenovierung: Manchmal reicht es, ein paar Kleinigkeiten zu modernisieren, doch manchmal ist auch eine Kernsanierung nötig, damit für die Zukunft alles passend
aufgestellt ist. Eine solche Modernisierung kann richtig Spaß machen, wenn man weiß, wie man es angeht, einer klaren Strategie folgt und die richtigen Werkzeuge parat hat. All das erarbeiten wir als Ergebnis des Geschäftsmodell-Checks mit unseren Kunden.
Und gleichzeitig wird durch die Involvierung der Mitarbeitenden der Fachkräftemangel adressiert, indem sich neue Aufgabenfelder und vor allem Weiterentwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Ein echter Vorteil im Kampf um Talente.
„Ganz wichtig ist hierbei die Einbindung der Mitarbeitenden, um Akzeptanz und Engagement zu fördern.“
Hermann: Banken, die jetzt die richtigen Schritte gehen und sich auf die bevorstehenden Herausforderungen einstellen, haben gute Chancen, sich langfristig erfolgreich im Wettbewerb um Marktanteile und als Arbeitgeber zu positionieren. Veränderungen bringen immer auch Chancen zur Weiterentwicklung und Differenzierung.
Welche Möglichkeiten seht Ihr für die regionalen Banken sich stark zu positionieren?
Hermann: Regionale Banken haben einen entscheidenden Vorteil: Sie kennen ihre Kunden sehr gut und pflegen oft eine sehr persönliche Bindung. Diese Nähe zum Kunden ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, den sie nutzen können, um maßgeschneiderte Lösungen anzubieten und das bestehende Vertrauen langfristig zu erhalten.
Tanja: Ich sehe ebenfalls viele Potenziale für die Regionalbanken. Besonders wenn sie unternehmerisches und persönliches Wachstum sowie Kundenorientierung in den Fokus stellen. Neben wirtschaftlichem Erfolg ist eine starke Unternehmenskultur entscheidend, um die Chancen der Zukunft zu nutzen. Banken, die eine moderne, attraktive Kultur durch kontinuierliches Lernen und Innovation fördern, können flexibler und besser auf Veränderungen reagieren, unterstützt durch guten Teamgeist und Zusammenhalt.
Vielen Dank für Eure Zeit und die spannenden Insights!